Auslandsbischof Meier auf Solidaritätsbesuch in der Ukraine

"Sie verdienen den Beistand aller freiheitsliebenden Menschen"

Bischof Bertram Meier hat die Ukraine besucht, auch den Schreckensort Butscha. Das Elend des Krieges hat ihn schockiert. Er mahnt: Notwendige Waffenlieferungen dürfen den Willen zum Frieden nicht ersticken.

Autor/in:
Von Christoph Schmidt
Segnung des Grundsteins einer Kirche im westukrainischen Radekhiv am 4. Juni 2022  / © Daniela Elpers  (DBK)
Segnung des Grundsteins einer Kirche im westukrainischen Radekhiv am 4. Juni 2022 / © Daniela Elpers ( DBK )

Schon für Ende Februar hatte der Augsburger Bischof Meier seine Reise in die Ukraine geplant, doch dann begann der russische Angriff, lag Kiew unter Dauerbeschuss.

Seinen Besuch wollte er aber baldmöglichst nachholen, "um ein Zeichen der Solidarität mit den Christinnen und Christen und allen Menschen in der Ukraine zu setzen", so Meier, der als Vorsitzender der Kommission Weltkirche eine Art "Außenminister" der Deutschen Bischofskonferenz ist.

Bertram Meier (Bischof von Augsburg)

"Die Ukrainer kämpfen gegen die Invasion in ihrem Land. Sie verdienen den Beistand aller freiheitsliebenden Menschen"

"Die Ukrainer kämpfen gegen die Invasion in ihrem Land. Sie verdienen den Beistand aller freiheitsliebenden Menschen", bilanzierte der 61-Jährige nach seiner Reise von Mittwoch bis Samstag vergangener Woche.

Auf seinen Stationen im westukrainischen Lwiw (Lemberg) und der Hauptstadt Kiew erlebte der Bischof, was 100 Tage Krieg in dem Land angerichtet haben. Er sah das Leid in Flüchtlingsunterkünften. In beiden Städten jaulten wegen russischer Raketenangriffe die Alarmsirenen, wie Meier der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichtete. "Wenn man durch das Land fährt und immer wieder die Zerstörungen sieht, stockt einem der Atem. Unglaublich viel muss nach dem Krieg wieder aufgebaut werden."

Kein Kriegsende in Sicht

Das gelte besonders an den Schreckensorten Butscha und Irpin nahe Kiew, wo russische Soldaten allem Anschein nach schwere Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung begangen haben. Moskau spricht von ukrainischen Propagandalügen. "Ich glaube das nicht, nachdem ich gesehen habe, wie die russische Armee in diesen Städten gewütet hat", meint dazu Bischof Meier, dessen Gang zum Massengrab in Butscha zu den bedrückendsten Momenten der Reise gehörte. Schon jetzt sei klar: Der Versöhnungsprozess nach dem Krieg werde "sehr lange dauern".

Segnung des Grundsteins einer Kirche im westukrainischen Radekhiv  / © Daniela Elpers  (DBK)
Segnung des Grundsteins einer Kirche im westukrainischen Radekhiv / © Daniela Elpers ( DBK )

Doch wann und wie dieser Krieg enden soll, ist unabsehbar. Russlands Armee macht Geländegewinne im Osten und Süden, die Ukraine wehrt sich mithilfe immer neuer Waffenlieferungen aus dem Westen. Unter den Orthodoxen des Moskauer Patriarchats wird der Riss unterdessen immer tiefer. Auf einer Synode Ende Mai hat der ukrainisch-orthodoxe Zweig die Abkehr vom putintreuen Patriarchen Kyrill I. beschlossen.
"Ukrainische und russische Orthodoxe sind wie ein Ehepaar, das geschieden wurde - nur die Urkunde fehlt noch", erfuhr Meier in Kiew von einem ukrainisch-orthodoxen Weihbischof. 

Damit unterscheidet diesen Kirchenzweig formal nicht mehr allzu viel von der Orthodoxen Kirche der Ukraine, die sich bereits 2018 von Moskau löste. Der Krieg könnte ihr eine Gelegenheit zur Profilierung bieten, vermutet Meier nach einem Treffen mit dem Metropoliten Epiphanius in der ukrainische Hauptstadt. 

Griechisch-Katholische Kirche als große Stütze im Kriegsgebiet

Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche / © Robert Kiderle (KNA)
Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche / © Robert Kiderle ( KNA )

Beeindruckt ist der Bischof vom Einsatz der relativ kleinen griechisch-katholischen Kirche, der nur zehn Prozent der Ukrainer angehören, für Flüchtlinge und obdachlos Gewordene. Sie ist auch der erste Ansprechpartner für die Deutsche Bischofskonferenz bei der materiellen Hilfe, die vor allem über die Hilfswerke Renovabis und Caritas International organisiert wird. Den ukrainischen Glaubensgeschwistern seien das Gebet und die spirituelle Verbundenheit der deutschen Katholiken aber mindestens ebenso wichtig, berichtete Meier aus einem Gespräch mit dem griechisch-katholischen Oberhaupt in der Ukraine, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk. 

Ob Katholiken oder Orthodoxe - alle Kirchen in der Ukraine stünden voll hinter dem militärischen Kampf gegen die russische Aggression, so Meiers Fazit. Trotzdem müsse aus ihrer Sicht auch in Kriegszeiten der Wille zum Frieden immer da sein. Damit liegen die ukrainischen Kirchen auf einer politischen Linie mit den deutschen Bischöfen und ihrem Ja zu Waffenlieferungen. Waffenlieferungen dürften kein Blankoscheck sein, der in eine "unkontrollierte Spirale der Gewalt" führe. "Parallel dazu brauchen wir eine Abrüstung der Worte, die beide Länder an den Verhandlungstisch bringt", betont der Bischof. Im Moment sehe es danach aus, dass Putin erst verhandelt, wenn er entweder unterlegen ist oder die Oberhand gewonnen hat. "Deshalb bleibt der Ukraine derzeit nur eine starke Selbstverteidigung."

Über seine Unterredung mit Nuntius Erzbischof Visvaldas Kulbokas in Kiew hält sich Meier bedeckt. Man habe die Diplomatie des Heiligen Stuhls als Friedensdienst unterstrichen, heißt es dazu im Abschlusskommuniqué der Reise. 

Papst Franziskus hält sich weiter zurück

Derweil deutete Papst Franziskus am Samstag an, selbst in die Ukraine reisen zu wollen. Er warte aber "auf den richtigen Moment". Kritiker werfen ihm vor, nicht hart genug mit Russland ins Gericht zu gehen.
Vor einigen Wochen hatte er in einem Interview "das Bellen der Nato vor Russlands Tür" für die Eskalation mitverantwortlich gemacht und erklärt, vor einem Ukraine-Besuch müsse er zuerst Präsident Wladimir Putin treffen.

Auch beim Mittagsgebet am Pfingstsonntag auf dem Petersplatz beklagte das Kirchenoberhaupt lediglich das Leid eines Krieges, in dem Christen gegen Christen kämpfen, vermied aber Schuldzuweisungen an Moskau. Für Bischof Meier, früher Leiter der deutschen Sektion im Staatssekretariat, ist das kein Skandal: "Der Heilige Stuhl muss in Konflikten wie diesem immer nach beiden Seiten Gesprächspartner sein."

 

Griechisch-katholische Kirche der Ukraine

Die griechisch-katholische Kirche der Ukraine ist die größte katholische Ostkirche. Zu ihr bekennen sich nach Angaben des Vatikan weltweit rund 4,5 Millionen Christen. In der mehrheitlich orthodoxen Ukraine ist etwa jeder zehnte Einwohner griechisch-katholisch. Ihr Oberhaupt ist Großerzbischof von Kiew-Halytsch, Swjatoslaw Schewtschuk (51).

Swjatoslaw Schewtschuk (l.), Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, zu Besuch bei Papst Franziskus. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Swjatoslaw Schewtschuk (l.), Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, zu Besuch bei Papst Franziskus. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA