DOMRADIO.DE: Herr Meister, Sie sind Leiter und Gründer von "Vocapella Limburg". Die 20 Sänger sind ehemalige Domsingknaben, die aber auch nach dem Ausscheiden aus dem Chor nach dem Abitur weiter singen wollten. Ihr Chor existiert bereits seit 2007 und hat diverse Preise gewonnen. Nun treten Sie mit Vocapella in Köln beim Festival "Romanischer Sommer" auf. Sie haben selber als Domsingknabe in Limburg gesungen. Warum ist das eine so prägende Zeit gewesen?
Tristan Meister (Dirigent, Dozent für Chordirigieren und ehemaliger Limburger Domsingknabe): Wir haben eine große Zeit unserer Jugend dort verbracht. Viele unserer Sänger haben mit sechs, sieben Jahren angefangen, dann kam man so langsam rein ins Singen. Wenn man dann in den Konzertchor aufgestiegen ist, dann hat man so gut wie jeden Tag geprobt. Da wurde Montag bis Donnerstag geprobt, alle zwei Wochen auch freitags.
Dazu hat der Chor die Gottesdienste im Limburger Dom gestaltet und das eine oder andere Konzert gesungen. Das hat wahrscheinlich neben der Schule den größten Teil des Lebens in der Jugend eingenommen. Man hat also ziemlich viel Zeit investiert und dementsprechend ist es natürlich eine Prägung, von der man das ganze Leben profitiert.
DOMRADIO.DE: Ehemalige Thomaner des berühmten Thomanerchores in Leipzig treffen sich ja auch regelmäßig und sagen: "Einmal Thomaner, immer Thomaner". Was hat Sie mit Ihren damaligen Sängern so besonders zusammengeschweißt?
Meister: Wie gesagt, man sieht sich jeden Tag, das sind die Leute, mit denen man singt, das sind aber auch ganz wunderbare Freunde, die das in diesen Jahren werden. Man macht gemeinsam Reisen, das prägt ungemein und da war das fast eine Selbstverständlichkeit, dass man sagt, na ja, das soll jetzt nicht enden mit dem Abitur, wir wollen danach noch weiter singen.
Und das haben wir dann auch gemacht. Natürlich hatten wir einige Vorbilder. Es gab ja vor uns insgesamt schon ungefähr vier Ehemaligen-Ensembles, die allerdings nicht mehr alle bestehen. Wir waren also nicht die ersten. Und ich glaube, das ist eine ganz besondere Tradition, die sich in Limburg vor allem herausgebildet hat. Denn ungefähr alle zehn Jahre im Schnitt bildet sich immer ein neues Männer-Ensemble von ehemaligen Domsingknaben.
Und da haben wir uns ein bisschen in dieser Tradition gesehen und sind auch froh, dass tatsächlich mit "Sonamento" ein Ensemble auch nach uns gegründet wurde, sodass diese Tradition, dass man nach der Knabenchorzeit noch zusammen Musik macht, auch weiter bestehen bleibt.
DOMRADIO.DE: Die Domsingknaben gibt es ja erst seit rund 55 Jahren und Limburg ist nicht die größte Stadt. Was ist das Geheimnis, dass es in dieser Region so viele Spitzen-Ensembles gibt, denn das sind hervorragende Gruppen, die sich da immer wieder gegründet haben?
Meister: Die Domsingknaben haben von Anfang an, glaube ich, eine ziemlich gute Arbeit gemacht, einen guten Grundstein gelegt. Da wurden von Anfang an keine Kompromisse gemacht. Man hat sich von der Ausrichtung an den traditionellen, viel älteren Knabenchören wie den Regensburger Domspatzen orientiert und hat dann eine Singschule aufgebaut, die mit guten Lehrern, Chorleitern und Stimmbildern gespickt war, die eine tolle Arbeit gemacht haben.
Die haben dafür gesorgt, dass schon in den ersten Jahren auf sehr hohem Niveau musiziert wurde und dass die Männerstimmen, die nach dem Stimmbruch weiter gemacht haben, auch auf hohem Niveau weiter singen konnten.
Und natürlich kommt dazu, dass in der Limburger Region, auch abgesehen von den Domsingknaben, der Chorgesang überhaupt und vielleicht auch sogar der Männerchorgesang eine relativ starke Position hat.
Es gibt immer noch bis heute hervorragende Männerchöre und Männergesangvereine, die auf einem sehr hohen Niveau in der Limburger Region singen. Das ist vielleicht auch mit der Grund, warum sich dieses Männerchorsingen da in der Region ein bisschen etabliert hat.
DOMRADIO.DE: Sie sprechen es an, Männerchorgesang, da denkt man vielleicht an "Ännchen von Tharau" von Friedrich Silcher. Was für Musik singen Sie denn mit Ihrem Ensemble?
Meister: Wir singen auch gelegentlich "Ännchen von Tharau", wir wollen die wertvolle Männerchor-Literatur erhalten und weiter leben lassen. Aber wir nehmen auch immer wieder unbekanntere Werke ins Programm. Unser Repertoire erstreckt sich von der Renaissance bis zu zeitgenössischer Musik und da gibt es insgesamt viel Musik für Männerchor, natürlich mit dem Schwerpunkt in der Romantik.
Denn in der Zeit war Männerchor eine sehr wichtige Gattung, auch eine extrem populäre Gattung. Es gab landauf, landab etliche Männerchöre und da haben viele große Komponisten wie Schubert, Mendelssohn, aber auch Reger oder Strauss Werke für Männerchor geschrieben. Auch von Peter Cornelius haben wir zwei lange nicht gesungenen Werke in unser Programm aufgenommen, er hat aber auch wunderbare Männerchor-Literatur geschrieben.
Also, wir versuchen, die traditionellen, volksliedhaften und bekannten Sachen mit etwas anspruchsvolleren, unbekannten, teils bis zu 12-stimmigen Werken zu kombinieren. Wir versuchen, die gesamte Bandbreite der Männerchor-Literatur zu zeigen, das haben wir uns so ein bisschen auf die Fahne geschrieben und das zeichnet unser Ensemble aus.
DOMRADIO.DE: Sie haben mit Ihrem Ensemble schon einige Preise gewonnen. Und jetzt treten Sie am 27. Juli ab 22 Uhr bei der "Romanischen Nacht" beim Festival "Romanischer Sommer" hier in Köln in der Kirche in St. Maria im Kapitol auf. Zu Ihrem Chor kommt noch ein Hornquartett dazu. Was für Musik erwartet denn die Zuhörer?
Meister: Wir haben uns gedacht, es ist vielleicht ganz spannend zu zeigen, dass Männerchor nicht nur a cappella funktioniert, sondern dass es auch gerade in der Romantik eine starke Verbindung zur Naturthematik gibt. Und da haben die Komponisten oft eine Waldstimmung erzeugen wollen. Das ging sehr gut mit Hörnern. Und deswegen haben wir ein paar Werke in dieses Konzertprogramm aufgenommen, in dem Männerchor mit Horn erklingt.
Das Horn hat, ähnlich wie die Männerstimme, einen ziemlich großen Tonumfang, dann hat es verschiedene Klangfarben, auch wieder ähnlich wie der Männerchor. Das passt also hervorragend, Männerstimme und Horn ergänzen sich da sehr gut und das wollten wir in diesem Konzertprogramm zeigen.
Das Interview führte Mathias Peter.
INFO: Vocapella Limburg singt weltliche und geistliche Werke im Rahmen der Romanischen Nacht beim Kölner Festival Romanischer Sommer am 27. Juni (Freitag) ab 22 Uhr in der Kirche St. Maria im Kapitol.