Auf dem Weg nach Sibiu bot Wittenberg ein Abbild der Ökumene

Wachsendes Vertrauen und gelegentliche Ernüchterung

Wie kann es weitergehen - mit den Kirchen in Europa.
Dieser Frage ist am Wochenende in der Lutherstadt Wittenberg ein Treffen von 150 Vertretern der Kirchen in Europa nachgegangen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Huber mahnte zum Auftakt der Veranstaltung ein aktives Zeugnis der Kirchen in Europa an. Pater Hans Vöcking war für die Katholiken beim Ökumenetreffen und berichtet im domradio von seinen Eindrücken. Schwierig sei nach wie vor das Verhältnis zur Orthodoxen Kirche. Einige Vertreter seien nicht zum Abschlussgottesdienst erschienen.

 (DR)

"Buna dimineata!" Elfriede Dörr wurde nicht müde, ihren rumänischen "Guten Morgen"-Gruß loszuwerden. Die evangelische Pfarrerin aus Sibiu (Hermannstadt) gehörte zu den Werbeträgern lebendiger Ökumene in Europas Kulturhauptstadt 2007. Ebenso wie der rumänisch-orthodoxe Metropolit, Erzbischof Daniel, berichtete sie von vielfältigen Begegnungen der Konfessionen: Der lutherische Bischof predigte in der orthodoxen Kathedrale, der katholische Erzbischof betete in der lutherischen Kirche, der reformierte Pfarrer segnete im griechisch-katholischen Gotteshaus die Gemeinde. Europas Kirchen können sich freuen, wenn im September in Sibiu Delegierte aus über 40 europäischen Ländern zur Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung (EÖV3) zusammenkommen.

Kirchen müssen Signal in Europa setzen
Wenigstens ein hoffnungsvoller Ausblick. Denn beim letzten Vorbereitungstreffen von Donnerstag bis Sonntag ging zwar alles seinen gepflegten ökumenischen Gang. Begeisterung kam aber kaum auf. Es dauerte bis zum Aussendungsgottesdienst, dass die Hannoveraner evangelische Bischöfin Margot Käßmann, die die Evangelische Kirche in Deutschland bei EÖV3 vertritt, erstmals im Kreise aller das Wort ergriff. Die Europäische Ökumenische Versammlung sei "keine breite ökumenische Bewegung", bedauerte sie. Und: Bisher gelinge es nicht, "in Europa ein überzeugendes Signal zu setzen, durch das die Menschen erkennen: Die Kirchen sind die entscheidende Stimme für Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung." Solches Engagement sei keine ethische Zugabe, sondern gehöre zum Kern von Kirche.

"Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung" - das waren
1989 die Kernthemen der 1. Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel. In jenem europäischen Umbruchjahr wurden die getrennten Christen vereint zu einer fast prophetischen Kraft. Doch in 18 Jahren sind Hoffnungen und Elan dünner geworden. Ein griffiges Thema, das die Menschen über Kirchengrenzen hinaus bewegen kann, zeichnet sich nicht ab. Zwar hatte wohl fast jeder der Delegierten den Wintersturm "Kyrill" noch in Erinnerung. Aber die Plädoyers, den Klimawandel mit christlicher Schöpfungsverantwortung zu verbinden, wurden eher belächelt als aufgegriffen. So fehlen in dem "Brief an die Christen in Europa", den die Delegierten zum Abschluss vorlegten, alle konkreteren
Bezüge: sei es das Umweltthema, die Frage der sozialen Gerechtigkeit in Europa oder die zuvor mehrfach angesprochene Solidarität mit Afrika.

Ökumenisches Knistern
Nur ein einziges Mal konnte man ökumenisches Knistern hören. Bei einem Abend mit Bundespräsident Horst Köhler sprachen der Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), Kardinal Jean-Pierre Ricard aus Bordeaux, und - für die Konferenz der Europäischen Kirchen - Pfarrer Thomas Wipf. Der Kardinal betonte in katholischer Tradition die "communio", die Gemeinschaft, sprach mit Blick auf alle Beteiligten von "Kirchen" und davon, dass alle noch zu lernen hätten. Wipf, zugleich Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), legte reformatorische Lehre von Luther und Zwingli dar und begann bei der "Freiheit des Christenmenschen", beim Individuum. Während seiner Worte konnten Beobachter den orthodoxen Geistlichen, für die der KEK-Vertreter theoretisch auch sprach, das Unbehagen fast ansehen.

Die Orthodoxen
Erstmals geht die Europäische Ökumenische Versammlung nach Osteuropa. 87 Prozent der Menschen in Sibiu gehören der orthodoxen Kirche an. In Wittenberg waren jüngere orthodoxe Repräsentanten als aufmerksame Zuhörer oder engagierte Diskussionsteilnehmer. Sie sprechen westliche Sprachen, nicht selten haben sie auch im Westen studiert. Zum ersten Mal, so scheint es, kommen derzeit die reiche Spiritualität des Ostens und die vielen christlichen Facetten des Westens zusammen.

Aber Erzbischof Daniel aus Sibiu schwärmte beim Thema Ökumene erst einmal nur für eine Ökumene des sozialen Engagements.
CCEE-Präsident Kardinal Peter Erdö aus Ungarn rief dazu auf, den Reichtum der Orthodoxie neu kennenzulernen. Diese große Tradition gehöre so sehr zu Europa hinzu. Und der ungarische Kardinal mahnte zugleich zu Geduld bei kontroversen Fragen.

Eine Momentaufnahme: Samstagabend einige Minuten nach halb zehn.
150 einheimische Wittenberger Christen, jung und alt, hocken in den Bänken des Mittelschiffs der Stadtkirche, in der einst Luther predigte. Mit ihnen wartet Frere Alois, Prior der Gemeinschaft von Taize, auf die Delegierten, die sich zum Abendgebet deutlich verspäten. Bischöfinnen und Kardinäle, orthodoxe Metropoliten und anglikanische Pfarrerinnen nehmen schließlich in den Bänken am Rand Platz. Ein passendes Bild für Ökumene: Sie braucht Geduld; Offizielle verspäten sich durchaus; im Zentrum stehen die wartenden Gemeindemitglieder. Aber tatsächlich los geht es erst, wenn die Kirchenvertreter gemeinsam hinzustoßen.

Sibiu bietet im September Platz für 2.500 offizielle Delegierte. Dann sind die Gästebetten der Stadt ziemlich ausgebucht. Abzuwarten, ob das "Buna dimineata!" dann ökumenisch lauter klingt.