Attac-Mitglied Heiner Geißler soll im Stuttgart-21-Konflikt vermitteln

Nach dem Holzhammer die Diplomatie

Spitzfindige Argumentation ist dem früheren Jesuitenschüler ebenso vertraut wie dem vormaligen CDU-Generalsekretär die Holzhammermethode. Dass Heiner Geißler auch über Verhandlungsgeschick verfügt, hat er mehrfach als Schlichter bewiesen. Nun soll er im Streit um Stuttgart 21 ran.

Autor/in:
Susanne Ruhland und Vera Fröhlich
 (DR)

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus hat Geißler als Vermittler im Streit über das Bahnprojekt "Stuttgart 21" vorgeschlagen. Geißler sei auch bereit, als "objektiver Vermittler" aufzutreten, sagte Mappus am Mittwoch im Stuttgarter Landtag. Geißler stamme aus Baden-Württemberg. "Und er kennt Land und Leute", bescheinigte ihm der CDU-Politiker.



Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst begrüßt den Vorschlag. Er erklärte am Mittwoch in Rottenburg, Geißler sei eine erfahrene und weit über die Parteigrenzen hinaus geachtete Persönlichkeit. Fürst wünschte den Vermittlungsbemühungen "allen erdenklichen Erfolg".



Mappus konnte sich sicher sein, dass seine Wahl auch bei den Gegnern des Bahnhofprojekts, darunter die Grünen, auf Zustimmung stößt. Denn seit 2007 ist Geißler Mitglied des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Er schloss sich kurz vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm der Organisation an. Sie trete für eine soziale und ökologische Globalisierung ein, argumentierte der langjährige Vor- und Querdenker der Christdemokraten: "Und genau das, die humane Gestaltung der Globalisierung, ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit - wenn nicht sogar die wichtigste Aufgabe."



Im aktuellen Streit hat sich Attac mit dem gewaltfreien Widerstand gegen "Stuttgart 21" solidarisch erklärt und alle Bürger dazu aufgerufen, sich den Protesten vor Ort anzuschließen. Den Polizeieinsatz am vergangenen Donnerstag mit Wasserwerfern und Reizgas verurteilte das Netzwerk als "brutal, gesetzwidrig und in keiner Weise dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend".



"Ratzinger zum Dorfpfarrer machen"

Was es bedeutet, gegen den Strom zu schwimmen, hat Geißler bereits in der CDU gelernt. Im Unions-Streit über die Kinderbetreuung schalt der ehemalige Bundesfamilienminister einige seiner Parteifreunde als wirklichkeitsfremd. Für das Grundsatzprogramm seiner Partei forderte er eine "internationale, soziale und ökologische Marktwirtschaft" ein. Die soziale Gerechtigkeit ist ein Hauptanliegen Geißlers; er ist der katholischen Soziallehre verpflichtet und lässt sich dafür auch als "Herz-Jesu-Marxist" verspotten. Als Buchautor unter anderem von "Die Neue Soziale Frage" und "Was würde Jesus heute sagen?" gelangen ihm Bestseller.



Auch als Katholik löckt Geißler gern wider den Stachel und legt sich mit der Amtskirche an. So kritisierte er 2005 das damalige Kirchenoberhaupt Johannes Paul II. und zwei der bekanntesten konservativen deutschen Kleriker: "Wenn ich Papst wäre, würde ich Kardinal Ratzinger und Kardinal Meisner zu Dorfpfarrern machen", sagte er. Inzwischen ist Ratzinger als Papst Benedikt XVI. Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche.



Am 3. März 1930 in Oberndorf am Neckar geboren, studierte Geißler zunächst Philosophie, dann Jura, war Amtsrichter in Stuttgart und ging anschließend ins baden-württembergische Arbeits- und Sozialministerium. 1965 wurde er zum ersten Mal in den Bundestag gewählt.



Widersacher Helmut Kohl

Als Sozial- und Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz - unter seinem späteren Widersacher Helmut Kohl - setzte Geißler in den Jahren 1967 bis 1977 unter anderem das erste Kindergartengesetz der Bundesrepublik durch. In der CDU stieg er 1977 zum Generalsekretär auf und wurde 1989 nach Differenzen mit Kanzler Kohl über den künftigen Kurs der Partei abgelöst. In diesen Jahren sorgte er auch mit dem Spruch für Wirbel, der Pazifismus der 30er Jahre habe Auschwitz erst möglich gemacht. Willy Brandt schimpfte ihn daraufhin den "schlimmsten Hetzer seit Goebbels".



Heiner Geißler ist verheiratet und hat drei Kinder. Er geht mit Begeisterung in die Berge und fliegt Gleitschirm. 1992 stürzte er mit dem Gleitschirm ab und verletzte sich schwer. Auf seiner Internetseite beschreibt sich der inzwischen 80-Jährige aber noch heute als "bekannter Gleitschirmflieger, Bergsteiger und Kletterer."