Assyrer in Deutschland sehen trotz Wahl keine positiven Auswirkungen für christliche Minderheiten

Christ im türkischen Parlament

Nach den Parlamentswahlen in der Türkei zieht erstmals seit 50 Jahren ein christlicher Abgeordneter in die türkische Volksvertretung ein. Nach dem vorläufigen Endergebnis schaffte Erol Dora den Sprung ins Parlament. Ob sich das positiv auf das Leben der christlichen Minderheiten in der Türkei auswirkt, stellt der Zentralverband der Assyrer in Frage.

 (DR)

Dora war in der südostanatolischen Provinz Mardin angetreten. Er ist damit nicht nur der erste Christ im türkischen Parlament seit dem Militärputsch von 1960; er ist auch der erste Angehörige der assyrischen Minderheit der Türkei, der es ins Parlament schafft. Seine Kandidatur wurde von der Kurdenpartei BDP unterstützt, die insgesamt 36 Abgeordnete ins neue Parlament entsenden und damit wieder eine Fraktion bilden kann.



Verband: Assyrische Gemeinschaft wird stark unter Druck gesetzt

Der Zentralverband der Assyrer in der Bundesrepublik begrüßte die Wahl Doras. Ob sich das allerdings positiv auf das Leben der christlichen Minderheiten in der Türkei auswirken werde, sei ungewiss, so der Verband. Derzeit werde die assyrische Gemeinschaft stark unter Druck gesetzt. 52 Hektar ihres geistlichen Zentrums, des Klosters Mor Gabriel, sollten in einem über Jahre hinausgeschobenen Prozess enteignet werden. Auch der Unterricht ihrer Muttersprache sei verboten. Christliche Kirchen würden bis heute nicht als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt, so die Kritik.



Religiös-konservative AKP gewinnt

Großer Gewinner der Wahl ist die religiös-konservative AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, die mit knapp 50 Prozent der Wählerstimmen zum dritten Mal hintereinander an die Regierung gewählt wurde.



In seiner Siegesrede am Wahlabend versprach Erdogan, seine Regierung werde für alle Bürger arbeiten, gleich welchen Glaubens oder Lebensstils; ausdrücklich nannte er dabei auch die christlichen Minderheiten. Die Opposition im neuen Parlament wird auch weiterhin von der kemalistischen CHP und der nationalistischen MHP gebildet, die auf rund 26 und 13 Prozent kamen und es zusammen mit den Kurden auf 224 Sitze im 550 Abgeordnete zählenden Parlament bringen.



Erdogans Partei verpasst Zwei-Drittel Mehrheit

Damit blieb der AKP die Zwei-Drittel-Mehrheit verwehrt, die sie zur Erarbeitung einer neuen Verfassung angestrebt hatte. Erdogan sagte, er werde auf die Oppositionsparteien und alle gesellschaftlichen Gruppen zugehen, um einen Konsens über die neue Verfassung zu suchen. Dies sei der Wählerwille.



Kanzlerin Merkel gratuliert Erdogan zum Wahlsieg

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyib Erdogan zum Wahlsieg gratuliert. In einem Glückwunschschreiben betonte Merkel am Montag: "Das Ergebnis reflektiert den Erfolg Ihrer in den letzten Jahren konsequent vorangetriebenen Modernisierungspolitik." Erdogan habe politisch und wirtschaftlich immer wieder maßgebliche Anstöße zur Weiterentwicklung des Landes gegeben, schrieb sie. Die Kanzlerin wünschte dem Ministerpräsidenten "eine glückliche Hand bei der Fortsetzung dieser Politik". Sie freue sich auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit. --
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Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer (FDP), sagte in Berlin, das Wahlergebnis bedeute große Verantwortung für den Wahlsieger - insbesondere mit Blick auf den Prozess zur Entwicklung einer neuen Verfassung. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Türkei den Reformkurs und damit die Annäherung an die Europäische Union fortsetzen werde. --