Apostolischer Exarch für die Ukrainer hofft auf ein Wunder

"Beitrittsperspektive wäre ein Zeichen der Hoffnung"

Der Ukrainer Bischof Bohdan Dzyurakh fordert von der EU eine Beitrittsperspektive für sein Land als Zeichen der Hoffnung. Und er stellt klar: Wer Krieg mit dem Evangelium rechtfertigt, verrät das Evangelium.

Kerzen und Blumen, die während des Krieges in der Ukraine auf der Straße stehen / © Ingus Kruklitis (shutterstock)
Kerzen und Blumen, die während des Krieges in der Ukraine auf der Straße stehen / © Ingus Kruklitis ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die Bilder und Nachrichten aus der Ukraine sehen?

Bischof Dr. Bohdan Dzyurakh CSsR (Apostolischer Exarch für die Ukrainer und Mitglied in der Unterkommission für Mittel- und Osteuropa der Deutschen Bischofskonferenz): Diese Bilder bewegen mein Herz und erschüttern meine Seele. Aber wie die Menschen in der Ukraine wollen wir uns auch hier nicht von dem Leid und dem Schrecken lähmen lassen. Wir versuchen, alle Kräfte für die Hilfe in der Ukraine zu sammeln. Ich habe bereits vor ein paar Tagen einen Hirtenbrief an unsere Mitgläubigen und Priester in Deutschland und Skandinavien geschrieben mit dem Titel: "Alles für die Hilfe in der Ukraine". Wir müssen unserem Volk jetzt beistehen und alles daransetzen, dass dieser Krieg beendet wird und den Menschen, die bombardiert werden und die auf der Flucht sind, geholfen wird.

DOMRADIO.DE: Sie fordern, dass der Frieden wiederhergestellt wird. Wer kann Putin denn stoppen?

Bischof Bohdan: Wir hoffen auf ein Wunder. Gott gibt Frieden. Die Menschen fangen Kriege an, aber Gott ist derjenige, der Frieden schenkt. Deswegen beten wir inständig, denn wir sind fest davon überzeugt, dass das Gebet die stärkste Waffe gegen den Krieg ist. Und wir setzen auf internationale Solidarität und Druck: sowohl politischen als auch wirtschaftlichen. Alle Mittel sind denkbar. Aber es liegt nicht in meiner Kompetenz zu sagen, was Politiker oder andere Akteur machen sollen. Jeder muss seinen Beitrag leisten, damit möglichst schnell der Frieden siegt. Krieg ist eine Niederlage der Menschheit. Und der Friede ist ein Ziel, das wir gemeinsam erreichen können.

DOMRADIO.DE: Reicht denn die humanitäre und militärische Hilfe, die derzeit aus dem Westen kommt?

Bischof Bohdan: Mit jedem Tag wachsen das Ausmaß der Tragödie und die Not der Menschen. Deshalb werden wir auch in der Zukunft sehr viel Hilfe brauchen, um die Folgen dieses Krieges zu bewältigen. Der Wiederaufbau der Ukraine wird Jahrzehnt brauchen. Und diesen Prozess müssen wir bereits jetzt beginnen und Perspektiven aufzeigen. Nicht nur humanitäre, sondern wir brauchen auch moralische Unterstützung. Die Ukraine leidet, weil sie ein freies und demokratisches Land sein möchte. Die Ukraine möchte EU-Mitglied werden und es wäre eine große Hilfe für unser Volk, wenn wir ein ganz klares Signal bekämen, dass die Ukraine in die Europäische Union aufgenommen wird. Bei uns sind die Bürger für die europäischen Werte auf die Straße gegangen, sie haben auf unseren Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan, dafür demonstriert und es sind Menschen für Gerechtigkeit, Freiheit und Würde gestorben. Das darf nicht vergessen werden. Eine Beitrittsperspektive wäre für unser Volk eine Unterstützung und ein Zeichen der Hoffnung.

Bischof Bohdan Dzyurakh

Wenn wir Gläubigen uns nicht gegen den Krieg stellen, dann verraten wir das Evangelium.

DOMRADIO.DE: Sie sind zu Gast bei der Vollversammlung der Deutschen Bischöfe in Vierzehnheiligen. Was wünschen sie sich von ihren Amtsbrüdern in der derzeitigen Lage?

Bischof Bohdan: Ich bin meinen Mitbrüdern sehr dankbar, weil sie von Anfang an an unserer Seite standen. Sie haben sich für uns Partei ergriffen und den Krieg verurteilt. Und sie haben auch ganz konkrete Schritte unternommen, um zu zeigen, dass sie mit uns solidarisch sind. Viele Bischöfe haben noch am Tag des Angriffs Russlands auf die Ukraine am 24. Februar ihre Hilfe angeboten und spontan unsere Pfarrei besucht. Und jetzt tun sie viel, um Flüchtlinge aufzunehmen, unsere Pfarrei zu unterstützen und wir hoffen, dass diese Welle der Solidarität nicht abnimmt.

DOMRADIO.DE: Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill steht fest an der Seite von Russlands Präsident Putin. Als die ersten russischen Soldaten in den Krieg geschickt wurden, sagt er, Kriegsdienst zeige "Nächstenliebe nach dem Evangelium". Missbraucht er das Evangelium, um Putins Krieg zu rechtfertigen?

Bischof Bohdan: Ich überlasse es dem Gewissen des Patriarchen, was er sagt und was er tut. Aber ich möchte eins klar stellen: Wenn wir Gläubigen uns nicht gegen den Krieg stellen, dann verraten wir das Evangelium und verspielen unsere Glaubwürdigkeit.

Ich glaube, das russische Volk hatte nach der Wende große Hoffnungen auf eine geistliche Erneuerung und offenbar haben unsere orthodoxen Mitbrüder in Russland nicht alles getan, um das blutige Erbe des Kommunismus aufzuarbeiten und sich davon zu befreien. Denn der Kommunismus hat großes Leid über das russische Volke gebracht. Man muss sich nur mal daran erinnern, dass Lenin hunderttausend Geistliche der russisch-orthodoxen Kirche ermorden ließ. Es ist traurig, dass man aus der Geschichte nicht genug gelernt hat.

Wir beten für alle Christen, dass sie konsequent in unserem Glauben bleiben und das Evangelium treu verkünden. Und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Denn wir werden an unseren Taten gemessen und ich würde uns wünschen, dass wir als Kirche diese prophetische Rolle weiterhin erfüllen und an der Seite unserer Völker stehen und uns nicht von den Mächtigen dieser Welt instrumentalisieren lassen.

 Das Interview führte Ina Rottscheidt.

Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche in Deutschland

Die ukrainische griechisch-katholische Kirche ist eine katholische Ostkirche, die den byzantinischen Ritus praktiziert. In Deutschland gibt es laut Schätzungen etwa 80.000 Gläubige, die von einem eigenen Bischof, der beratend der Deutschen Bischofskonferenz angehört, betreut werden. Das Apostolische Exarchat, das die ukrainischen unierten Katholiken in Deutschland und Skandinavien betreut, untersteht direkt dem Papst.

Gläubige am 5. September 2019 bei einem Gottesdienst der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde in der Basilika Santa Maria Maggiore, Rom / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Gläubige am 5. September 2019 bei einem Gottesdienst der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde in der Basilika Santa Maria Maggiore, Rom / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR