Angela Merkel in Israel - Beziehungen beider Länder auf die Zukunft ausrichten

Fit für die Zukunft

Am Sonntag war Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ihrem dreitägigen Besuch in Israel eingetroffen. Als "wichtigste Reise eines deutschen Regierungschefs seit langem" bezeichnete der israelische Botschafter Yoram Benz-Zeev die Visite. Anlass sind die Feiern zum 60. Jahrestag der israelischen Staatsgründung. Mit gegenseitigen Regierungskonsultationen will Angela Merkel ein "neues Kapitel" in den Beziehungen zu Israel aufschlagen, erläutert Nahost-Korrespondent Ulrich Sahm im domradio Interview.

 (DR)

Als eines der erschütternsten Erlebnisse ihres Lebens hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Besuch in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem am Montag bezeichnet. Das berichtete Direktor Avner Schalev, der Merkel am Montag durch die Gedenkstätte für 1,5 Millionen ermordeter jüdischer Kinder geführt hatte. Die unterirdische Stätte gehört zu den beeindruckendsten Orten in Jad Vaschem. In dem dunklen Raum werden kleine Lichter projiziert; eine sonore Stimme sagt emotionslos Name und Alter ermordeter Kinder auf.

In Begleitung von sieben Mitgliedern ihres Kabinetts und Vertretern der israelischen Regierung hatte die Kanzlerin zuvor im Zelt des Gedenkens, in dem die Namen der Vernichtungslager wie Buchenwald und Auschwitz in großen Lettern im Boden eingelassen sind, einen Kranz niedergelegt. Zum Abschluss ihres Besuches schrieb sie ins Gästebuch:
"Im Bewusstsein für die Verantwortung Deutschlands für die Schoah unterstreicht die Bundesregierung mit den ersten deutsch-israelischen Konsultationen ihre Entschlossenheit zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft."

Kein Routine-Besuch
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist es kein Routine-Besuch. Zwar reist sie  schon zum dritten Mal in ihrer Amtszeit nach Israel. Doch diesmal steht die Visite unter besonderen Vorzeichen. Israel begeht im Mai den 60. Jahrestag der Staatsgründung, und Merkel wird als erste deutsche Regierungschefin vor der Knesset, dem israelischen Parlament, sprechen. Diese Ehre ist sonst ausländischen Staatschefs vorbehalten.

Beziehung für die Zukunft
Merkel will mit ihrer dreitägigen Reise zweierlei verbinden. Sie will einerseits die Verantwortung der Deutschen für die Shoa mit sechs Millionen ermordeten Juden und das Existenzrecht Israels unterstreichen. Zugleich will die Kanzlerin in die Zukunft blicken und die Beziehungen zwischen beiden Ländern auf eine breitere Basis stellen. Dazu reist das halbe Bundeskabinett mit nach Israel zu den ersten gemeinsamen Regierungskonsultationen, die künftig im Jahrestakt stattfinden sollen.

Ein solches Forum unterhält Deutschland seit langem schon mit Frankreich, Italien, Spanien, Russland und Polen. Israel sei das erste außereuropäische Land mit dem Deutschland diese Regierungskonsultationen durchführen will, so unser Nahost-Korrespondent Ulrich Sahm. Bisher hätten die Beziehungen auf der Vergangenheit basiert, so Sahm. Jetzt müssten neue Wege gefunden werden. Auch in Israel würde dem Staatsbesuch viel Aufmerksamkeit geschenkt. Kritische Stimmen wären dabei kaum zu hören.

Auf den Spuren von Adenauer
Merkels erste Station galt jedoch noch einmal der Vergangenheit. Am Grab von Israels staatsgründer David Ben Gurion hat die Kanzlerin einen Kranz niedergelegt und dessen ehemaliges Wohnhaus besucht, das heute ein Museum ist. Hier hatten sich 1966 Ben Gurion und Alt-Kanzler Konrad Adenauer, der eine 80 und der andere 90 Jahre alt, getroffen, als beide schon nicht mehr im Amt waren. Mit beiden Namen sind die ersten Annäherungen zwischen Israel und der Bundesrepublik verbunden. Als Adenauer 1967 starb, nahm auch Ben Gurion an den Trauerfeierlichkeiten in Bonn teil.

Nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner Israels
Diplomatische Beziehungen gab es zu diesem Zeitpunkt erst knapp zwei Jahre. Heute sind sie mannigfaltig. Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner Israels, über 100 Städte und Kreise unterhalten Partnerschaften. Es gibt einen umfangreichen Wissenschaftsaustausch und eine hohe Dichte politischer Kontakte.

Auch Merkel selbst erfährt in Israel und bei den Juden in Deutschland eine besondere Wertschätzung. Im November ehrte der Zentralrat der Juden die Kanzlerin mit dem "Leo-Baeck-Preis", am Dienstag erhielt Merkel eine Medaille der jüdischen Organisation B'nai B'rith. Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch sieht Merkel als "Freundin des jüdischen Volkes". Israels Premier Ehud Olmert hob unlängst in Berlin Merkels "Freundschaft, ihre tiefe Verbindung zum jüdischen Volk und zum Staat Israel" hervor.


Nahostkonflikt
Anders als bei vorherigen Besuchen steht bei dieser Reise kein Besuch der Palästinensergebiete im Protokoll. In Gesprächen mit Premierminister Ehud Olmert und einem Telefonat mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, sei deutlich geworden, dass beide Seiten weiter verhandeln wollen, sagte Merkel am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Sie räumte ein, dass die Bedingungen hierfür "teilweise sehr schwierig" seien, wenn sie nur an die Hamas-Raketen und den Siedlungsbau Israels denke. Abbas soll Merkel aufgefordert haben, sich bei Olmert für einen Stopp beim Siedlungsbau einzusetzen.

Die Kanzlerin betonte, sie spüre auf beiden Seiten das Bestreben für ein besseres Miteinander. Es seien Fortschritte zu erkennen und alle Beteiligten seien sich im Klaren, dass es hierzu keine Alternativen gebe. Für Juni ist eine Nahost-Konferenz in Berlin geplant.