AfD-Fraktion im Landtag spaltet sich

Streit um Antisemitismus-Vorwürfe

Keine vier Monate nach ihrem Erfolg bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg zerlegt sich die AfD selbst. Grund ist ein Streit um Antisemitismus. Einige Abgeordnete verlassen nun die Fraktion. Für Politik und Kirche war die Entscheidung richtig, konsequent und notwendig.

Jörg Meuthen, AfD, verlässt im Zusammenhang mit Antisemitismus-Vorwürfe gegen den AfD-Abgeordneten Gedeon die Landtagsfraktion. / ©  Daniel Maurer (dpa)
Jörg Meuthen, AfD, verlässt im Zusammenhang mit Antisemitismus-Vorwürfe gegen den AfD-Abgeordneten Gedeon die Landtagsfraktion. / © Daniel Maurer ( dpa )

Nach der Spaltung der Fraktion der rechtspopulistischen AfD im Stuttgarter Landtag und dem Rücktritt des umstrittenen Politikers Wolfgang Gedeon beraten die Rechtspopulisten über einen möglichen Neuanfang. An diesem Mittwoch (10.30 Uhr) kommen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt AfD-Politiker zusammen, um über die Zukunft einer neuen Fraktion zu diskutieren. Ziel sei die Gründung einer AfD ohne Antisemitismus, sagte AfD-Chef Jörg Meuthen der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte der mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontierte Gedeon seinen Austritt aus der Fraktion erklärt. Er wolle dadurch eine Spaltung der Partei verhindern, sagte er nach einem Treffen mit Co-AfD-Chefin Frauke Petry in Stuttgart.

"Es wird keinen Rücktritt vom Rücktritt geben", sagte Meuthen der dpa am späten Dienstagabend. Er reagierte irritiert, dass seine Co-Vorsitzende aus Sachsen sich in Stuttgart erneut "einmischte". Der Wirtschaftsprofessor hält es aber für möglich, dass sich nach dem Abgang von Geodeon dessen Anhänger nun auf seine Seite schlagen könnten. Gedeon hatte den Völkermord an den Juden im Zweiten Weltkrieg als "gewisse Schandtaten" verharmlost - und damit breites Entsetzen ausgelöst.

13 Abgeordnete aus der Fraktion ausgetreten

Gemeinsam mit zwölf weiteren Abgeordneten war Meuthen aus der Fraktion ausgetreten. Bei einer Abstimmung über einen Rauswurf Gedeons aus der Fraktion unterlag er am Dienstag allerdings. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen. Gedeon bestand im Gespräch mit der dpa darauf, dass er die Abstimmung gewonnen habe. Nach einem langen Gespräch mit Petry erklärte er aber, dass er nun doch gehe, um die Fraktion zusammenzuhalten. Ob das gelingt, wird sich zeigen. Wenn mindestens fünf Abgeordnete in das Lager von Meuthen wechseln, dann könnte sich um Gedeon keine neue Fraktion bilden.

Meuthen betonte, dass der späte Rückzug Gedeons nichts an der Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg ändere. Zehn Abgeordnete "haben sich - aus welchen Motiven
auch immer - auf die Seite eines Antisemiten gestellt", sagte er.

Folgen des Zerbrechens der Fraktion unklar

Zunächst hatten Meuthen und seine Mitstreiter erklärt, als eigenständige Abgeordnete weiter zu arbeiten. Ziel sei aber der Aufbau einer neuen AfD-Fraktion - "definitiv Antisemitismus-frei", hatte Meuthen gesagt. Welche rechtlichen Folgen das Zerbrechen der Fraktion hat, ist noch unklar.

Für seinen Schritt bekam Meuthen die Zustimmung des Bundesvorstandes - Frauke Petry, mit Meuthen Co-Bundessprecherin der AfD und zugleich seine Gegenspielerin, war daran allerdings nicht beteiligt. Die rechtspopulistische Partei hat 23 Sitze im Stuttgarter Parlament. Die AfD hatte bei der Landtagswahl 15,1 Prozent der Stimmen erzielt und zwei Direktmandate errungen.

Stadtdekan: AfD trägt Feindschaft in die Gesellschaft

Für Hermes trägt die AfD Streit und Feindschaft in die Gesellschaft. Die "verlogene Fassade des Gutbürgerlichen und die Masche des Provozierens und Schönredens" falle wie ein Kartenhaus zusammen, sagte Hermes der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Eine solche Partei könne keinen Bestand haben.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz warf Meuthen vor, er habe "keine rote Linie zu Antisemiten und Rassisten gezogen, solange sie seine Machtbasis verbreitert haben". Auch der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf Meuthen fehlerhaftes Verhalten vor: "Erst hat er Radikale und Antisemiten angezogen. Und nun haben die ihn verschlungen."

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte, die Vorgänge zeigten, dass die AfD "keine Alternative für Deutschland" sei. Sein SPD-Amtskollege Andreas Stoch nannte die Spaltung eine politische Bankrotterklärung. Meuthens Kurs, der AfD ein "bürgerlich-staatstragendes Mäntelchen umzuhängen, ist endgültig am Ende".

Württembergische Kirche will mit AfD reden

Die württembergische evangelische Landeskirche will mit der wegen ihrer fremdenfeindlichen und antisemitischen Strömungen umstrittenen Partei Alternative für Deutschland (AfD) Kontakt aufnehmen. Die Landeskirche sehe offene Fragen, die mit der AfD diskutiert werden müssten, zum Beispiel, was sie unter dem Begriff "christliches Abendland" verstehe, sagte Landesbischof Frank Otfried July der "Heilbronner Stimme" am Mittwochausgabe. Aus Sicht der Kirche bedeute beispielsweise christliches Handeln, für Flüchtlinge einzutreten, betonte der Bischof.

Für Rassismus dürfe es keinen Platz in der Kirche geben, sagte der Landesbischof. Diskutiert werden müssten jedoch die Sorgen und Probleme der Menschen, die sie etwa auch mit der Flüchtlingspolitik verbinden. Die Kirche könne Raum für Gespräche zur Verfügung stellen, auch für solche, in denen Menschen aufgelaufene Aggressionen thematisieren können. Die Kirche könne zudem Werte in einer Gesellschaft vermitteln, die Gefahr laufe, orientierungslos zu werden.

Zudem wollten die Landeskirche und ihre Diakonie jedem bekanntwerdenden Fall von religiös motivierten Übergriffen gegen christliche Flüchtlinge nachgehen, sagte July. Zahlen nannte July nicht. Am Donnerstag beginnt in Heilbronn die Landessynode der württembergische Landeskirche, am Nachmittag soll über eine Umfrage zur Situation von Christen in Flüchtlingsunterkünften berichtet werden.


Monsignore Christian Hermes / © Harald Oppitz (KNA)
Monsignore Christian Hermes / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA , dpa , epd