In Ägypten werden weiterhin Menschenrechte missachtet

Arabischer Winter

Die Menschenrechtslage in Ägypten hat sich seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak nicht verbessert. Erneut gehen Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Demonstranten vor. Von über 20 Toten ist die Rede. Gegenüber domradio.de schildert Msgr. Joachim Schrödel, Pfarrer deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Kairo, die dramatische Lage.

 (DR)

Mit Massenprotesten hatten ägyptische Demonstranten den Präsidenten im Februar zum Rücktritt gezwungen. Schroedel erinnern die aktuellen Straßenkämpfe an die Tage im Januar, als die Proteste begannen. Der oberste Militärrat habe die Notstandsgesetze noch immer nicht aufgehoben und löse friedliche Proteste regelmäßig gewaltsam auf. Für den Abend erwartet Schroedel weitere Unruhen und Opfer. Die Entwicklung komme nicht überraschend, so der deutsche Pfarrer, der Verständnis für die enttäuschte Jugend zeigt. Auch die katholische Gemeinde leide unter den chaotischen Verhältnissen, der fehlenden Meinungsfreiheit und der schlechten Versorgung.



"Die neuen Machthaber regieren mit Mubaraks Methoden", sagte auch Henning Franzmeier, Ägypten-Experte bei Amnesty International, in Berlin. In den vergangenen Monaten wurde Amnesty zufolge 12.000 Zivilisten vor Militärgerichten unrechtmäßig der Prozess gemacht. Mindestens 13 seien zum Tode verurteilt worden. Den Beschuldigten werde rücksichtsloses Verhalten, Missachtung der Ausgangssperre oder Beleidigung der Armee vorgeworfen. Demonstranten, Journalisten, Blogger und Streikende würden verfolgt und "schonungslos zum Schweigen gebracht", heißt es in dem Bericht.



Inzwischen sei der Häftling Maikel Nabil Sanad zur Symbolfigur geworden. Ein Militärgericht verurteilte den Blogger im April zu drei Jahren Haft, unter anderem wegen Kritik an der Armee. Seit August soll er im Hungerstreik sein, notwendige Herzmedikamente würden ihm verweigert. Auch Folter gehöre zu den Methoden des Militärs, schreibt Amnesty. Die Generäle seien ihrem Versprechen, die Menschenrechte zu achten, bislang in keiner Weise nachgekommen. "Ganz im Gegenteil: Die Menschenrechtslage ist in einigen Fällen sogar schlechter als früher", sagte Franzmeier.



Menschenrechtler befürchten weitere Rückschritte

Vor den für kommenden Montag geplanten Parlamentswahlen befürchten Menschenrechtler zunehmende Einschränkungen der Freiheit der Zivilgesellschaft. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) berichtete am Montag in Frankfurt, die derzeit herrschende Übergangsregierung wolle unabhängige Nichtregierungsorganisationen behindern. Davon könnten indirekt auch deutsche politische Stiftungen betroffen sein.



Laut IGFM hat Ägyptens Ministerin für Internationale Zusammenarbeit, Faiza Aboul-Naga, einen Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen, um die Finanzierung einiger lokaler Nichtregierungsorganisationen auszuforschen. Die Ministerin betrachte eine politische Förderung solcher Organisationen wie auch politischer Parteien durch das Ausland als unannehmbar. Laut IGFM forderte die Ägyptische Zentralbank vergangenen Sonntag verschiedene Banken auf, vertrauliche Kontoinformationen über einige heimische Nichtregierungsorganisationen und Privatpersonen offenzulegen. Ägypten habe die USA bereits offiziell darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Staat keine Förderung für solche Einrichtungen mehr akzeptiere, die die nicht staatlich registriert seien.



IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin verurteilte die Ermittlungen. Dies komme einem Rückfall in frühere Repressalien gegen Menschenrechtsorganisationen gleich. Lessenthin erinnerte daran, dass ein Schwerpunkt deutscher Entwicklungspolitik auf Ägypten liege. Mit Gesamtzusagen von fast fünf Milliarden Euro seit 1963 sei Deutschland das zweitgrößte Geberland Ägyptens. Für die kommenden zwei Jahre wurden Ägypten 190 Millionen Euro an Entwicklungshilfe zugesagt. Auch deutsche Stiftungen wie die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung und die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung arbeiten mit ägyptischen Partnern in Themen wie Demokratisierung und Regionalentwicklung zusammen.



Zugleich äußerte die IGFM die Befürchtung, die "Freiheits- und Gerechtigkeitspartei" der Muslimbrüder könne bei einem Wahlerfolg die Rechte von Frauen und Kindern massiv zurückschrauben. Das Programm der etwa 70 Kandidatinnen dieser Partei sei ähnlich fundamentalistisch ausgerichtet wie das ihrer männlichen Kollegen. Einige der Kandidatinnen hätten erklärt, das Recht für Frauen auf Scheidung wieder aufheben zu wollen; eine kritische Haltung nähmen sie auch zu dem gesetzlichen Verbot der Genitalbeschneidung von Frauen ein sowie zu der Möglichkeit, Neugeborene ohne Angabe des leiblichen Vaters zu registrieren.