Abgeordnetenhauswahl in Berlin scheint entschieden

Alle mögen Wowibär

Vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl am Sonntag nimmt die Nervosität in den Parteien zu. Der Ton des politischen Schlagabtauschs wird aggressiver. Nach Meinungsumfragen hält sich das Interesse der Wähler am bevorstehenden Urnengang in Grenzen. Viele Hauptstädter sind noch unentschlossen, ob sie am Sonntag überhaupt wählen gehen - und wenn ja, wem sie ihre Stimme geben sollen.

 (DR)

Vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl am Sonntag nimmt die Nervosität in den Parteien zu. Der Ton des politischen Schlagabtauschs wird aggressiver. Nach Meinungsumfragen hält sich das Interesse der Wähler am bevorstehenden Urnengang in Grenzen. Viele Hauptstädter sind noch unentschlossen, ob sie am Sonntag überhaupt wählen gehen - und wenn ja, wem sie ihre Stimme geben sollen. Im Unterschied zu 2001, als die CDU wegen des Bankenskandals und einer Parteispendenaffäre auf die Oppositionsbank verbannt wurde, ist diesmal aus Sicht der Meinungsforscher von einer Wechselstimmung nichts zu spüren. Christine Richter vom Berliner Tagesspiegel berichtet im domradio-Interview über eine Stadt im Wahlkampf.

Wowereit liegt vorne
Der Wahlkampf war kurz und bot wenig Höhepunkte - ausgenommen vielleicht die direkten Duelle zwischen dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und seinem CDU-Herausforderer Friedbert Pflüger. Spannend war die Frage, wie sich der aus Niedersachsen stammende Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium gegen seinen Widersacher schlägt, der den Amtsbonus und Heimvorteil auf seiner Seite hatte.

Es sei schwierig, mit politischen Botschaften durchzudringen, beklagen viele Wahlkämpfer. Dabei leidet Berlin mitnichten unter einem Mangel an Problemen: Extrem hohe Arbeitslosigkeit, schwache Wirtschaft und soziale Brennpunkte, die auch Versäumnissen bei der Integration von Migranten geschuldet sind. Außerdem ist die mit rund 60 Milliarden Euro verschuldete Hauptstadt faktisch pleite und klagt vor dem Bundesverfassungsgericht auf Finanzhilfen des Bundes und der anderen Länder.


Kleine Parteien machen sich Hoffnungen
Laut jüngsten Umfragen sind fast zwei Drittel der Berliner unzufrieden mit der Arbeit von Rot-Rot. Ungeachtet dessen deutet derzeit nichts auf einen Machtwechsel hin. Die SPD, die seit Anfang 2002 die rot-rote Koalition anführt, hält die CDU bisher in allen Umfragen klar auf Distanz. Linkspartei.PDS und Grüne, die annähernd gleichauf liegen, machen sich beide Hoffnungen auf die Juniorpartnerschaft an der Seite der Sozialdemokraten. Die FDP erhebt ebenfalls Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung, kommt aber voraussichtlich nicht zum Zuge.


Große Koalition ausgeschlossen?
Wowereit setzt klar auf ein Zweier-Bündnis. Vorstellen kann er sich eine Neuauflage von Rot-Rot, aber auch Rot-Grün. Mit der Ökopartei regierte die SPD - wenn auch nur wenige Monate - schon zweimal in Berlin: 1989/90 und nach dem Bruch der großen Koalition 2001. Ein rot-rot-grünes Experiment oder eine Ampel mit Grünen und FDP wären für Wowereit höchstens Notvarianten, falls andere Konstellationen nicht zu Stande kommen sollten. Vorsichtige Avancen seines Hauptkonkurrenten Pflüger lässt der 52-Jährige ins Leere laufen. Eine große Koalition schließt er definitiv aus, weil "mit dieser CDU" keine Regierungsbildung möglich sei.

Da eine absolute Mehrheit der SPD nicht zu erwarten ist, wäre Wowereit ein Wahlergebnis am liebsten, das ihm möglichst viele Optionen offen hält. Das böte ihm Gelegenheit, gelassen auszuloten, "mit welcher Partei am besten sozialdemokratische Politik umzusetzen" sei. Eine Konkurrenz mehrerer potenzieller Partner hätte zudem den Charme, dass man ihnen eher Zugeständnisse abringen könnte.

Kirchen rufen zur Wahl auf
Der Erzbischof von Berlin hat sich mit einem Wort zu den Wahlen am 17. September 2006 an die katholischen Pfarrgemeinden in Berlin gewendet. Er ruft die Bürger auf, wählen zu gehen, extremistische Parteien zu ignorien und Kandidaten zu wählen, die sich an "den Werten, auch an christlichen Grundwerten" orientieren.
(ddp,KNA,dr)