Orthodoxe Kirche hält erstes Konzil der Neuzeit ab

Auf der Zielgeraden

Nach langer Vorbereitungszeit beginnt Mitte Juni auf Kreta das Konzil der orthodoxen Kirche - das erste seit Jahrhunderten. Diskutiert wird auch das Verhältnis zu den anderen Kirchen und die Sendung der Kirche in der Welt.

Autor/in:
Norbert Zonker
Orthodoxe Geistliche im Kölner Dom / © Cornelis Gollhardt (KNA)
Orthodoxe Geistliche im Kölner Dom / © Cornelis Gollhardt ( KNA )

Es wird ein historisches Ereignis: Erstmals in der Neuzeit kommt vom 19. bis 26. Juni auf Kreta wieder ein "Heiliges und Großes Konzil" der orthodoxen Kirche zusammen. Rund 350 Bischöfe der 14 selbstständigen (autokephalen) Patriarchate der griechisch-orthodoxen Kirchenfamilie sowie etwa sechs theologische "Berater" und drei "Helfer" pro Delegation wollen damit ein deutliches Zeichen der Einheit der Orthodoxie setzen. Als Gäste sind auch Vertreter anderer Kirchen eingeladen.

"Der vorrangige Zweck und Sinn dieses Panorthodoxen Konzils ist es darzustellen, dass die orthodoxe Kirche die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche ist, geeint in den Sakramenten, besonders in der Göttlichen Eucharistie, im orthodoxen Glauben, aber auch in der Konziliarität", schreibt der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., in seiner Enzyklika zur Einberufung der Synode.

Jahrzehntelange Vorbereitung

Damit kommt die orthodoxe Kirche nach einer jahrzehntelangen Vorbereitungsphase endlich auf die Zielgerade. Bereits Anfang des 20. gab es erste Vorschläge zu einem Konzil. Sie nahmen Fahrt auf durch den Einfluss des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) der katholischen Kirche und wurden in den 1970er Jahren konkreter. Damals war allerdings ein Großteil der orthodoxen Welt unter kommunistischer Herrschaft, so dass die Voraussetzungen für ein freies Konzil nicht gegeben waren.

Nach dem Ende des Sowjetimperiums konnten die Kirchen wieder freier agieren, aber es entstanden neue Konfliktlinien durch Absetzbewegungen vom Moskauer Patriarchat. Die Frage, unter welchen Bedingungen eine Landeskirche ihre "Autokephalie" erhält, gehört immer noch zu den heiß umstrittenen Themen, vor allem mit Blick auf die drei orthodoxen Kirchen in der Ukraine. Um das Konzil überhaupt zu ermöglichen, wurde sie vertagt.

Live-Übertragung im Fernsehen

Hinzu kamen aktuelle politische Schwierigkeiten. Ursprünglich sollte die alte Konzilsstadt Konstantinopel (Istanbul) der Tagungsort sein. Doch die türkischen Behörden reagierten nicht auf die Anfrage, ob die Teilnehmer die historische Irenenkirche - heute ein Museum - für die Versammlung nutzen können. Dann eskalierte der Konflikt zwischen Russland und der Türkei nach dem Abschuss eines russischen Kriegsflugzeugs; Istanbul wurde für die russische Kirche zur No-Go-Area. Eine Krisensitzung der Patriarchen im Januar in Chambesy bei Genf führte schließlich zur Kompromisslösung des Tagungsorts Kreta.

In der orthodoxe Kathedrale "Hagios Minas" der Hauptstadt Heraklion soll am orthodoxen Pfingstsonntag (19. Juni) die feierliche Eröffnung stattfinden - das ZDF will einen Teil live übertragen. Die anschließenden Beratungen finden in der Orthodoxen Akademie von Kolymvari im Nordwesten der Insel statt.

Bulgarische-orthodoxe Kirche fordert Verschiebung

Dabei geht es um Beschlussvorlagen zu Fragen der Seelsorge, der innerorthodoxen Beziehungen, der Sendung der orthodoxen Kirche in der Welt und der ökumenischen Zusammenarbeit. Vor allem die Ökumene-Vorlage, die eine grundsätzlich positive Sicht der Beziehungen zu den nichtorthodoxen Kirchen beschreibt, geht manchen zu weit und wurde in den vergangenen Wochen kontrovers diskutiert.

Der Entwurf zum Thema des Ehesakraments und seiner Hindernisse wurde bei der erwähnten Vorbereitungssitzung in Chambesy vom georgischen Patriarchen Ilja II. nicht unterschrieben. Jetzt kam neues Störfeuer aus Sofia: Die bulgarisch-orthodoxe Kirche fordert eine Verschiebung und droht mit ihrem Fernbleiben.

Unterschiedliche Praktiken sind identitätsstiftend

Wie weit die kontroversen Fragen beim Konzil selbst offen diskutiert werden können, muss sich noch zeigen. Die Verfahrensregeln sind jedenfalls rigide: Die Abstimmung erfolgt nicht nach einzelnen Teilnehmern. Jede Delegation hat eine Stimme. Schließlich ist für Veränderungen der Vorlagen das Konsensprinzip aller Delegationen erforderlich. Was nicht einstimmig angenommen wird, gilt als abgelehnt. Damit kann das Konzil nur ein erster Schritt sein, um die anstehenden Fragen zu klären.

Dass es sich dabei nicht um dogmatische Fragen handelt, macht die Sache nur scheinbar leichter - denn gewachsene unterschiedliche Praktiken sind oft identitätsstiftend. So kam eine eher profane Frage wie die Änderung des Kalenders - einige Kirchen, darunter die russische, folgen noch dem alten Julianischen Kalender, wodurch sich eine Abweichung von 13 Tagen zum in der übrigen Welt geltenden Gregorianischen Kalender ergibt - nicht einmal auf die Tagesordnung. Ein Konsens war hier nicht wahrscheinlich. Allerdings könnte es für die nicht behandelten Fragen weitere Sessionen des Konzils geben, wenn sich dieses erst einmal gefunden hat.

Mindestens zwei Konzilsteilnehmer kommen laut den bislang bekannten Delegationslisten aus Deutschland: der zum Patriarchat von Konstantinopel gehörende griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos, auch Vorsitzender der orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, und der in München residierende Erzbischof Mark von der russisch-orthodoxen Auslandskirche (Moskauer Patriarchat).


Quelle:
KNA