Welthungerhilfe-Landesdirektor Oswald über Lage in Nordkorea

Coronavirus, Klimawandel, Kontrollen

Nachrichten aus Nordkorea sind rar gesät. Machthaber Kim Jong-un schottet sein Land ab. Mit dem Ausbruch des Coronavirus im benachbarten China zieht sich das Land noch weiter zurück. Das berichtet der Landesdirektor der Welthungerhilfe, Andreas Oswald.

Militärparade in Nordkorea / © Wong Maye-E (dpa)
Militärparade in Nordkorea / © Wong Maye-E ( dpa )

KNA: Herr Oswald, in China grassiert das Coronavirus - wie geht Nordkorea damit um?

Andreas Oswald (Landesdirektor der Welthungerhilfe​)​: Bisher gibt es noch keinen offiziell bestätigten Fall in Nordkorea. Aber die Regierung hat vor Tagen schon umfassende Präventionsmaßnahmen ergriffen. Erst haben sie den Flugverkehr nach China, dann nach Russland eingestellt. Inzwischen sind die Grenzen so gut wie dicht. Offiziell kommt niemand mehr nach Nordkorea hinein und kaum einer hinaus.

KNA: Was bedeutet das für Sie als Helfer?

Oswald: Hier in Pjöngjang arbeiten derzeit 2 Deutsche und bis zu 15 Einheimische für die Welthungerhilfe. Seit Montag stehen wir unter Quarantäne. Das heißt: Bis 15. Februar sollen wir unsere Büros nicht verlassen. Regelmäßig kommt ein Amtsarzt vorbei, misst die Temperatur und schaut nach, ob irgendjemand Symptome zeigt.

KNA: Schwer möglich, unter solchen Bedingungen zu arbeiten.

Oswald: Die Welthungerhilfe ist seit 1997 im Land; derzeit kümmern wir uns um vier Projekte in Provinzen rund um Pjöngjang. Der Schwerpunkt liegt im landwirtschaftlichen Bereich etwa im Kartoffel- und Gemüseanbau, wobei wir die gesamte Kette von Saatgutproduktion bis zu Verarbeitung und Lagerung abdecken. Vieles läuft auch jetzt weiter. Den Rest versuchen wir, telefonisch zu regeln. Und was auch auf diesem Wege nicht funktioniert, muss halt erst mal warten.

KNA: Wie steht es grundsätzlich um die Arbeitsbedingungen der wenigen internationalen Helfer im Land?

Oswald: Wir können uns nicht ganz frei bewegen, sondern müssen jede Reise eine Woche vorher mit Begründung anmelden und genehmigen lassen. Das klappt aber meist. Was unsere Arbeit unter anderem erschwert, sind die Sanktionen.

KNA: Was heißt das konkret?

Oswald: Wenn wir für unsere landwirtschaftlichen Projekte zum Beispiel eine Wasserpumpe brauchen, dann muss das alles erst beantragt werden. Der Weg ist recht lang und führt über deutsche Ministerien bis hin zum Sanktionskomitee in New York. Natürlich wissen wir, dass die Sanktionen ihre Gründe haben.

KNA: Pflegen Sie Kontakte zu anderen Helfern?

Oswald: Einmal in der Woche treffen sich alle im Land tätigen Helfer, UN-Vertreter und Mitarbeiter anderer Organisationen wie dem Rotem Kreuz, um sich auszutauschen. Diese Abstimmung ist gut und nötig, denn wir führen unsere Projekte unabhängig voneinander durch.

KNA: Wenn Nordkorea abseits von Raketentests in den Schlagzeilen auftaucht, geht es oft um Hunger. Was können Sie über die aktuelle Ernährungslage sagen?

Oswald: Für die Ernten des vergangenen Jahres liegen noch keine Angaben der Regierung vor. Es scheint aber so, dass es eine Verbesserung gab. Darauf deutet hin, dass im öffentlichen Verteilsystem die Tagesration von Getreide pro Person von 300 auf 380 Gramm heraufgesetzt wurde. Für die Zukunft allerdings sind neue Engpässe zu befürchten.

KNA: Warum?

Oswald: Die koreanische Halbinsel dürfte verstärkt unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben. Speziell in Nordkorea sind weniger als ein Drittel der Landesfläche landwirtschaftlich nutzbar. Da macht sich jede Änderung beim Klima bemerkbar. Natürlich fehlt es auch an Maschinen und Lagerstätten, was die Probleme verschärft.

KNA: 2018 gab es eine lange Trockenperiode mit starker Hitze.

Oswald: Da fiel die Ernte äußerst schlecht aus. Im Jahr darauf, ab Mai, hat sich die Ernährungslage dramatisch verschlechtert.

Das Interview führte Joachim Heinz.


Quelle:
KNA