Missbrauchsvertuschung: Erstmals Strafvollzug gegen Bischof

Australischer Präzedenzfall

Es ist das erste Mal in der Kirchengeschichte, dass ein Bischof für Vertuschung von sexuellem Missbrauch verurteilt wurde. Ob der australische Erzbischof Philip Wilson in Haft kommt, ist aber fraglich. Was bedeutet das Urteil für die Kirche?

 (DR)

DOMRADIO.DE: Der australische Erzbischof Philip Wilson ist wegen der Vertuschung von Missbrauchsfällen zu einer Strafe von zwölf Monaten verurteilt worden. Noch ist unklar, ob der 67-Jährige die Strafe unter Hausarrest verbringen muss oder doch noch ins Gefängnis kommt. Nach sechs Monaten kann die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Was bedeutet dieses Urteil jetzt?

Christoph Wimmer (Chefredakteur Nachrichtenagentur CNA/Deutsch): Zweierlei. Einmal wird Erzbischof Wilson entweder Hausarrest bekommen oder tatsächlich die Strafe hinter Gittern verbringen müssen, wenn kein angemessener Ort für die Arreststrafe zur Verfügung steht. Das erfahren wir abschließend erst am 14. August. Das ist die knallharte Präzedenzfallgeschichte, die auch juristisch insofern Konsequenzen hat, als dass Australien als "Common Law"-Land nicht nur Präzedenzfälle in der Wahrnehmung, sondern auch konkret juristisch schafft.

Das zweite ist natürlich die öffentliche Wahrnehmung. Hier versucht die Kirche klar mit einer gewissen Wahrnehmung zu arbeiten. Und zwar daran, dass sie verstanden hat, worum es geht, dass man nun transparent aufarbeiten muss und aus den Fehlern gelernt hat.

DOMRADIO.DE: Man hat das Gefühl, solche Meldungen kommen ausgerechnet immer aus Australien. Warum?

Wimmer: Das liegt vor allem an der sehr sauberen Aufarbeitung des gesamten Problemfalls "sexueller Missbrauch" in Australien. Eine richterliche Kommission mit unglaublichen Hoheiten hat jahrelang untersucht, wie die gesamte Gesellschaft sexuellen Missbrauch ermöglichen konnte - vor allem in Institutionen, vom Musikverein über das Militär, Sportvereine bis hin zu den Kirchen.

Die katholische Kirche ist in Australien nicht unwichtig. Nicht zuletzt, weil sie auch ein gutes Fünftel aller Schulen und Bildungseinrichtungen betreibt. Da wurde eben festgestellt, dass massiver sexueller Missbrauch stattgefunden hat - auch und gerade in katholischen Einrichtungen. Diese Kommission hat ihre Arbeit beendet. Sie hat viele Vorschläge unterbreitet, die nun auch umgesetzt werden sollen. Diese führen auch zu weiteren Debatten und Berichterstattung in Australien, zum Beispiel beim Thema Beichtgeheimnis. Dazu gehört nun auch die Aufarbeitung mit Blick darauf, wie sexueller Missbrauch und vor allem die Vertuschung im Fall Wilson gehandhabt wird. Dies geht ja auf Tatsachen aus den 1970er Jahren zurück.

DOMRADIO.DE: Sie haben lange in Australien gelebt. Welchen Stand hat die Kirche in der Gesellschaft nach all diesen Vorfällen und der Aufklärungsarbeit?

Wimmer: Der Stand ist in mancherlei Hinsicht vergleichbar mit Teilen Deutschlands oder zumindest mit gesellschaftlichen Kreisen in Deutschland, wo man vielleicht eher kirchenkritisch ist. Das muss nicht immer schlecht sein.

Andererseits hat Australien, wie die meisten anderen anglophonen Länder, ein anderes Verhältnis zur Religion. Das heißt, der Katholik als solcher ist nicht registriert und Teil einer über Jahrhunderte sedimentierten gesellschaftlichen Rangordnung. Sondern hier gehören Katholiken in Australien zu einer Minderheit, die sich schon immer hat selbstbewusst behaupten können und müssen. Sie wurden zum Teil auch bekämpft und unterdrückt. Dass man dann mit anderen Bandagen angegangen wird, ist klar.

DOMRADIO.DE: Jetzt hat der Papst einen Administrator für das Bistum Adelaide eingesetzt. Wie geht es da nun weiter?

Wimmer: Das Bemerkenswerte unter anderen vielen bemerkenswerten Dinge in diesem Fall ist, dass Erzbischof Wilson nicht zurückgetreten ist. Man kann da vielleicht dem Richter zustimmen, der in der Urteilsverkündung gesagt hat, eigentlich sehe er hier keine Zeichen von Reue oder von Bedauern. Gregor O'Kelly, Jesuitenpater aus einer benachbarten Diözese, der nun Adelaide leitet, wird möglicherweise ein Nachfolger sein. Jetzt muss man aber erst mal schauen, ob mit der Verkündung, wo und wie er die Strafe verbüßen muss, spätestens am 14. August ein Rücktritt stattfinden wird.

DOMRADIO.DE: Ein erzwungener Rücktritt oder aus freien Stücken?

Wimmer: Ich denke, man wird ihm keine Wahl lassen. Er ist krank. Er hat unter anderem auch mehrere schwere Krankheiten und deswegen wird sich Erzbischof Wilson wahrscheinlich aus gesundheitlichen Gründen nicht länger im Stande sehen, sein Amt auszuführen. Das ist meine Spekulation. Es könnte natürlich auch eine härtere Entscheidung kommen - auch aus dem Vatikan.


Anian Christoph Wimmer (privat)
Anian Christoph Wimmer / ( privat )

Erzbischof Philip Wilson / © Peter Lorimer (dpa)
Erzbischof Philip Wilson / © Peter Lorimer ( dpa )
Quelle:
DR
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