Neuer Kardinal Gambetti will nicht "Eminenz" genannt werden

"Nennt mich lieber beim Namen"

So ganz will es ihm noch nicht in den Kopf: Der 55-jährige Franziskaner Mauro Gambetti ist seit Samstag Kardinal. Im Interview spricht er darüber, was diese Ehrung bedeutet - und über die Kritik am Benedikt-Besuch der neuen Kardinäle.

Mauro Gambetti, Franziskaner-Guardian und Generalkustos des Klosters (Sacro Convento) von Assisi, erhält von Papst Franziskus das Birett beim Konsistorium / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Mauro Gambetti, Franziskaner-Guardian und Generalkustos des Klosters (Sacro Convento) von Assisi, erhält von Papst Franziskus das Birett beim Konsistorium / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Will das Ihnen schon in den Kopf rein: "Ich bin jetzt Kardinal"?

Mauro Kardinal Gambetti: Nein, ich glaube dass ich es erst vollkommen begreifen werde, wenn ich wirklich im Amt bin. Ich bin mir aber der großen Gabe und der Verantwortung bewusst, die man mir übertragen hat. Ich freue mich über die Ernennung und glaube, dass ich durch meine Erfahrungen aus den letzten Jahren im Franziskanerorden einige Akzente in meinem neuen Amt setzen kann. Freiheit, Wahrheit und Nächstenliebe sind einige dieser Werte, die wir Franziskaner vertreten und in deren Zeichen ich das Amt ausüben möchte.

DOMRADIO.DE: Und mit welchem Titel soll man Sie nun ansprechen? Eminenz?

Gambetti: Nein, um ehrlich zu sein gefällt mir dieser Titel nicht. Nennt mich lieber bei meinem Namen. Das ist einfacher. Es ist wichtiger, dass man sich versteht und die Leute wissen, wer ich bin. Nicht die Funktion oder die Aufgabe innerhalb der Kirche sind wichtig, sondern die Persönlichkeit, die dahinter steht.

DOMRADIO.DE: Ein Konsistorium unter Corona-Bedingungen gab es vorher noch nie in der Art, zwei der neuen Kardinäle wurden per Video zugeschaltet. Wie haben Sie diesen Tag, diese Zeremonie erlebt?

Gambetti: Es war eine sehr bedeutende, aber sachliche Zeremonie. Ich habe sie als ein sehr intensives Ereignis erlebt. Die Atmosphäre war sehr tiefgründig und wir waren eine enge Gemeinschaft. Diese lebendige Atmosphäre wurde durch die Corona-Restriktionen vielleicht sogar noch verstärkt. Es war eine ganz besondere Feier.

DOMRADIO.DE: Für Kritik sorgt im Moment, dass die neuen Kardinäle, wie jedes Jahr, gemeinsam mit Franziskus den emeritierten Papst Benedikt XVI. besucht haben. Ohne Abstand, die meisten ohne Maske, aber mit gemeinsamem Gesang. Wie haben Sie das erlebt?

Gambetti: Der Besuch beim emeritierten Papst Benedikt war ein sehr berührendes Ereignis. Ich muss sagen, dass dabei vielleicht die Gedanken an die Gefahren des Virus etwas in den Hintergrund geraten sind. Dennoch haben wir eine gewisse Distanz gewahrt. Als wir den emeritierten Papst persönlich begrüßt haben, tauschten wir nur Gesten miteinander und haben nicht mit ihm gesprochen. Dadurch war die Ansteckungsgefahr relativ gering. Auch haben wir unsere Hände desinfiziert. Auch beim Gesang am Ende des Besuches haben wir die Abstandsregeln zu Benedikt eingehalten. Deshalb glaube ich, dass eine Ansteckung in diesem Fall eher unwahrscheinlich ist.

DOMRADIO.DE: Können Sie die Kritik denn verstehen?

Gambetti: Ich habe nichts dergleichen gelesen oder gehört. Ich glaube aber, dass eine solche Kritik unbegründet wäre.

DOMRADIO.DE: Bereits eine Woche zuvor wurden Sie zum Bischof geweiht. Das ist gerade eine turbulente Zeit für Sie, oder? Wie erleben Sie das?

Gambetti: Um ehrlich zu sein, bin ich da ganz gelassen. Von der Bischofsweihe bin ich eher emotional und auf spirituelle Art und Weise berührt. Ich habe sie wirklich in ihrer Bedeutung als Sakrament erlebt. Im Moment der Ernennung zum Kardinal habe ich einen tiefen Frieden gespürt und glaube, dass ich ein Teil des Plans des Herrn bin. Der Herr hat mich für dieses Amt ausgewählt und gerufen. Ich vertraue auf seine Führung, seinen Geist und sein Licht. Es erfüllt mich mit innerer Freude und ich spüre auch die Freude meiner Mitmenschen.

Die Ernennung zum Kardinal macht mich sehr glücklich, auch wenn ich weiß, dass dies mein Leben radikal verändern wird. Ich habe bisher in der Gemeinschaft des Franziskanerordens gelebt und muss mich nun darauf vorbereiten, diese Gemeinschaft zu verlassen. Das ist für mich ein Opfer, dass ich erbringen muss, und ich bin mir der Verantwortung bewusst, die ich zukünftig haben werde. Am Ende überwiegt aber die große Freude, die mich erfüllt.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie denn eigentlich von ihrer Ernennung erfahren?

Gambetti: Ich habe es durch den Anruf eines Freundes erfahren. Ich habe das Angelusgebet an diesem Tag nicht im Fernsehen verfolgt. Ja, die Ernennung war wirklich eine große Überraschung für mich und für viele andere auch. Ich habe zuerst gedacht, es sei ein Scherz des Papstes gewesen. Ich habe dieses unerwartete Ereignis mit viel Fröhlichkeit aufgenommen.

DOMRADIO.DE: Was denken Sie, warum hat der Papst gerade Sie als einen der neuen Kardinäle gewählt?

Gambetti: Das müssen Sie den Papst selbst fragen, warum genau er mich ernannt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass es an der engen Verbindung zwischen der Botschaft des heiligen Franz von Assisi und dem Pontifikat von Franziskus liegt, und ich gehöre zur Familie des heiligen Franz von Assisi. Ein weiterer möglicher Grund wird sein, dass Franziskus die Werte wie Menschlichkeit, Brüderlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber den Armen und Bedürftigen stärken möchte. Frieden kann nur durch Dialog wachsen und das ist sozusagen auch die Vorstellung Gottes.

DOMRADIO.DE: Sie leiten, bzw. leiteten bis jetzt die Gemeinschaft der Franziskaner-Minoriten von Assisi. Für die ist 2020 eine aufregende Zeit. Der Papst hat seine erste Reise nach Corona zu ihnen unternommen, um die Enzyklika “Fratelli tutti“ in Assisi zu unterschreiben, vor kurzem haben Wirtschaftsexperten aus aller Welt auf Einladung aus Assisi am digitalen Gipfel "The Economy of Francesco" teilgenommen. Nun kommt ein Kardinal aus Assisi. Was bedeutet das für Ihren Pilgerort und für Ihre Gemeinschaft?

Gambetti: Für Assisi und unsere Gemeinschaft sind das Festtage. Es freut uns sehr, dass der Papst Assisi als Ort für die Unterzeichnung seiner Enzyklika gewählt und dass er mit den Jugendlichen am Wirtschaftsgipfel teilgenommen hat. Neben der Freude zeigt uns das aber auch noch einmal die Verantwortung für die Werte des Franziskanerordens, für die wir eintreten. Auch der Papst setzt sich in seinem Pontifikat sehr für diese Werte ein. Wir sollen in Brüderlichkeit leben und auf die Bedürfnisse unserer Mitmenschen eingehen. Jeder soll wachsen und seine eigenen Fähigkeiten und Talente ausschöpfen können. Ein Leben in Wahrhaftigkeit und Verantwortung also. Die Liebe Gottes möge in unseren Herzen wohnen. Wir sollen das bezeugen, was der Herr uns gibt.

DOMRADIO.DE: Wie wird es nun für Sie weitergehen? Die Aufgabe als Leiter der Gemeinschaft von Assisi geben Sie ja ab.

Gambetti: Ich warte noch auf meinen neuen Auftrag und meinen neuen Einsatzort. Im Moment regele ich noch die letzten Dinge, die mein Amt des Leiters des Konventes von Assisi betreffen. Es gibt auch noch einiges mit meinem Nachfolger in diesem Amt, Bruder Marco, zu regeln. Außerdem packe ich ein bisschen meine Koffer und bereite mich auf die Abreise vor. Wenn dann noch etwas Zeit bleibt, möchte ich mich noch ein paar Tage ausruhen. Vielleicht nutze ich die Zeit, um noch intensiver zu beten oder einen lieben Menschen zu besuchen. Dafür war in den letzten Jahren nur wenig Zeit. Vielleicht kann ich in der gemeinsamen Zeit mit Freunden noch etwas Kraft für meine neuen Aufgaben tanken.

Das Interview führten Nina Odenius und Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR
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