Im Kampf um Ordnung stützt sich der Papst auf eine neue Garde

Finanzaufsicht 2.0 im Vatikan

Wieder einmal will Papst Franziskus den Dauerskandal um die Vatikanfinanzen beenden. Die kommenden Monate werden zeigen, wie gut er bei seinen Personalentscheidungen beraten war.

Geldscheine vor Kuppel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Geldscheine vor Kuppel / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Es war kein gutes Jahr. Den Herbst hindurch hing dem Vatikan ein Eklat um die Finanzaufsicht AIF an. Unter nicht konkretisierten Vorwürfen - Papst Franziskus sprach von einem "Verdacht schlechter Verwaltung" - war im Oktober AIF-Direktor Tommaso Di Ruzza suspendiert worden. In der Folge warfen Präsident Rene Brülhart sowie die Aufsichtsratsmitglieder Marc Odendall und Juan Zarate das Handtuch.

Sie stehen in einer Reihe mit zwei anderen, die von Franziskus gerufen worden waren, um in der Finanzwirtschaft des Vatikan für Kontrolle und Transparenz zu sorgen, und dann vorzeitig quittierten: Kardinal George Pell als Leiter des Wirtschaftssekretariats (zum Jahresbeginn tritt sein Nachfolger an, Jesuitenpater Juan Guerrero) und Generalrevisor Libero Milone.

Vorwurf: Unsauberes Verhalten 

Von Pell heißt es, er sei manchen zu unbequem gewesen, als dass man ihn habe retten wollen, als er 2017 wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt wurde. Tatsache ist, dass Pell seinerzeit Angelo Becciu ins Gehege kam, der damals als Substitut des Staatssekretariats ein beträchtliches Kapital verwaltete. Becciu, mittlerweile Kardinal, war es auch, der 2017 die Absetzung Milones als Generalrevisor betrieb - wegen angeblicher Kompetenzüberschreitung. Laut Milone ließ man die Anschuldigung inzwischen sang- und klanglos fallen.

Aus der Zeit Beccius im Staatssekretariat rührt eine Immobilienaffäre, in deren Sog nun die Finanzaufsicht ihre Leitung verlor. Es geht um einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Nachdem eine erste Investition in London verunglückte, forderte Beccius Nachfolger Edgar Pena Parra von der Vatikanbank IOR 150 Millionen Euro für einen Rettungsversuch. An diesem Punkt wandte sich das IOR an die Vatikanjustiz und warf unter anderem der Finanzaufsicht ein unsauberes Verhalten vor.

Geschäftsergebnis halbierte sich 

Dass die Vatikanbank ihren Kontrolleur anschwärzt, ist nicht ohne Pikanterie. Das IOR bekam die Aktivitäten Di Ruzzas leidvoll zu spüren; zwischen Juni 2013 und Ende 2015 musste die Bank rund 4.950 Konten wegen Beanstandungen schließen, nicht ohne Folgen für das Geschäftsergebnis, das sich allein von 2014 bis 2017 mehr als halbierte. Auch den vatikanischen Staatsanwalt Gian Piero Milano, der jetzt gegen die AIF ermittelt, plagte die Finanzaufsicht: Auf Milanos Tisch stapeln sich Dutzende Verdachtsfälle. Unbearbeitet.

Das europäische Expertenkomitee für Geldwäsche-Bekämpfung, Moneyval, attestierte in seinem letzten Prüfbericht Ende 2017 der AIF einen tüchtigen Job - das Meldesystem funktioniere, wie die Verdachtsfälle aus der Vatikanbank zeigten; die Justiz hingegen bekam einen Rüffel: Nicht nachvollziehbar fand Moneyval, warum bislang kein einziger Fall vor Gericht gekommen, keine einzige Beschlagnahmung erfolgt sei.

Ordnung des Finanzsystems?

Im April werden sich die Anti-Geldwäsche-Experten aus Straßburg im Rahmen eines turnusmäßigen Besuchs vor Ort im Vatikan nach dem Stand der Dinge erkundigen. Für den neuen AIF-Präsident Carmelo Barbagallo ein wichtiger Termin mit wenig Vorbereitungszeit. Noch im November war der 63-jährige Sizilianer in der Bankenaufsicht der italienischen Zentralbank tätig.

Neben Barbagallo holte der Papst einen weiteren Italiener von außen auf eine Schlüsselposition: Der frühere römische Staatsanwalt Giuseppe Pignatone leitet künftig das Vatikangericht. Gemeinsam mit dem Ende 2015 ernannten Vatikanbank-Chef Gian Franco Mammi, dessen Urteil dem Vernehmen nach bei Franziskus Gewicht hat, gehören sie zu einem neuen Kreis, auf den Franziskus bei der Ordnung des Finanzsystems sein Vertrauen setzt.

Pignatone und Barbagallo hatten schon einmal 2014 mit dem Heiligen Stuhl zu tun - damals als dessen Gegner. Es ging um zweifelhafte IOR-Konten bei italienischen Banken und um den Verdacht der Kapitalflucht italienischer Steuerpflichtiger über die Oase Vatikan. 2016 unterzeichnete Barbagallo für die Zentralbank ein Kooperationsabkommen mit der vatikanischen Finanzaufsicht. 

Nach der Berufung Pignatones und Barbagallos in den Vatikan schrieb eine römische Zeitung, nun seien die alten Kontroversen mit der italienischen Staatsanwaltschaft und der Banca d'Italia zu den Akten gelegt.

Von Burkhard Jürgens


Hauptsitz der Vatikanbank  / © Romano Siciliani (KNA)
Hauptsitz der Vatikanbank / © Romano Siciliani ( KNA )

Jean-Baptiste de Franssu (KNA)
Jean-Baptiste de Franssu / ( KNA )

AIF-Direktor Di Ruzza (l.) und und Präsident Brülhart / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
AIF-Direktor Di Ruzza (l.) und und Präsident Brülhart / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Kardinal Giovanni Angelo Becciu / © Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Giovanni Angelo Becciu / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA
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