SkF kritisiert Vorstoß zum Prostitutiertenschutzgesetz

Fehlende Differenzierung

Verrichtungsboxen. Dahinter verbirgt sich ein soziales Projekt, das Prostituierten Schutz und Betreuung bietet. Ein neuer Gesetzesvorstoß würde diese Boxen verbieten. Der Sozialdienst katholischer Frauen sieht darin ein Missverständnis.

Prostitution / © Caro Bastian (epd)
Prostitution / © Caro Bastian ( epd )

DOMRADIO.DE: Köln hat diese Verrichtungsboxen 2001 als erste deutsche Stadt eingeführt und damit einen betreuten Straßenstrich geschaffen. Neben dem Gesundheits- und Ordnungsamt und der Polizei haben auch Sie vom SkF sich um die Frauen und Mädchen gekümmert, die dort arbeiten. Wie muss man sich so einen betreuten Straßenstrich vorstellen?

Monika Kleine (Geschäftsführerin Sozialdienst katholischer Frauen in Köln): Der Strich hat ungefähr die Fläche eines Fußballfeldes. Dort befindet sich ein Beratungscontainer, der täglich von uns bewirtschaftet wird. Es gibt eine sogenannte Anbahnungszone, wo die Freier entlangfahren können, im Einbahnstraßen-Verfahren. An dieser Strecke stehen die Frauen. Dann gibt es in der Mitte des Platzes eine Möglichkeit, sich in eine Verrichtungsbox, die man sich wie einen Carport vorstellen kann, zurückzuziehen und das dort zu vollziehen. Diese Carport-Anlage hat einen Schutz für die Frauen, weil die Männer ihre Wagentür nicht aufmachen können, die Frauen allerdings schon und aus dem Auto aussteigen können, falls der Freier übergriffig wird.

Es gibt auf dem Platz Dusch-Möglichkeiten, es gibt die Möglichkeit, im Beratungscontainer unsere Mitarbeiterinnen zu finden, die für Beratung, für Versorgung zur Verfügung stehen, die Spritzen tauschen. Sie sind die erste Ansprache und organisieren dann im Wesentlichen auch die Vermittlung in unsere Beratungsstelle.

DOMRADIO.DE: Das machen sie jetzt seit 20 Jahren. Wie ist Ihre Erfahrung, funktioniert das?

Kleine: Es funktioniert ganz fantastisch. Die Frauen fühlen sich geschützt. Bevor es diesen betreuten Straßenstrich gab, gab es immer wieder Übergriffe. Die fanden vor allen Dingen im Niehler Hafen statt, wo es wirklich bis zu Todesfällen kam und auf jeden Fall Gewaltübergriffe jedweder Art stattfanden. Seit wir diesen Strich betreuen, sind die Frauen sicher. Sie wissen, dass sie Ansprache haben, dass die Freier nicht ungesehen, wenn irgendwas passieren sollte, davonkommen und Anzeige erstattet werden kann.

Sie sind vielfach auch von uns herausbegleitet worden aus der Prostitution. Wenn sie einsteigen, versuchen wir erst einmal zu klären, ob das überhaupt notwendig ist oder ob es andere Möglichkeiten gibt. Also wir sind unglaublich froh, dass es diesen Raum gibt.

DOMRADIO.DE: Gehen wir einen Schritt zurück. Dieser jüngste Vorstoß aus der CDU/CSU soll das Prostituiertenschutzgesetz konkretisieren. Da steht auch der Schutz der Prostituierten drin. Sie sehen dieses Gesetz aber grundsätzlich kritisch. Warum?

Kleine: Das eine ist ja das Diskussionspapier. Das Gesetz als solches ist erstmal dafür gedacht, dass sozusagen das Dunkelfeld durchleuchtet wird. Will sagen, dass die Bordelle kontrolliert werden, dass die Frauen sich anmelden und Gesundheitsprüfungen durchlaufen müssen. Die Frauen sollen sichtbar und erreichbar werden. Wir sind insofern gar nicht böse um das Gesetz. Es gibt schon sicherlich Ecken, die wir uns anders vorstellen würden, aber grundsätzlich sind wir mit sehr vielen Teilen dieses Gesetzes sehr zufrieden.

Unglücklicherweise gibt es eine überfraktionelle Initiative, das nordische Modell, also das Freier-, das Prostitutionsverbot, wieder einzuführen. Unseres Erachtens ist dieses Diskussionspapier ein Versuch, sich dieser Bewegung entgegenzustellen. Das begrüßen wir grundsätzlich und wir können auch mit einigen Verschärfungen durchaus leben. Es ist sehr ungut, dass in diesem Papier diese Verrichtungsboxen auch verboten werden sollen. Man muss wissen, dass dieses abgeleitet ist von den Berliner Verrichtungsboxen. Das ist nämlich kein soziales Projekt, wie bei uns oder auch in anderen Städten wie Essen und Bonn und Dortmund, die sich sozusagen unserem Modell angeschlossen haben.

In Berlin sind es einfach Klohäuschen, in denen die Verrichtung stattfindet. Das kann man wunderbar abschaffen, das finden wir wirklich menschenunwürdig. Tragischerweise wird der gleiche Begriff verwendet. Was bei uns anders ist, als in Berlin, ist, dass es bei uns wirklich ein Kooperationsprojekt von vielen Instanzen ist, die das gemeinsam sichern und die Frauen erreichen. Wir haben jetzt in der Pandemie gesehen, dass der Straßenstrich augenblicklich geschlossen ist wegen des Ansteckungsrisikos. Das ist einfach fatal. Es ist unfassbar schwer, die Prostituierten dann zu erreichen, wenn wir sie nirgendwo offiziell antreffen dürfen.

DOMRADIO.DE: Ein Verbot der Verrichtungsboxen würde genau das bedeuten? Sie könnten die Frauen nicht mehr erreichen.

Kleine: Genau, deswegen sehen wir das mit sehr großer Sorge und wünschen uns sehr stark eine Differenzierung zwischen dem unwürdigen Zustand in Berlin und den sozialen Angeboten, die genau davon leben.

DOMRADIO.DE: Nochmal auf den Punkt gebracht: Was fordern Sie also von der Politik?

Kleine: Dass die Herausnahme gestrichen wird, wenn es sich um ein soziales Projekt handelt.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Monika Kleine, Geschäftsführerin des SkF Köln / © Maria Schulz (Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Köln)
Quelle:
DR
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