Forderungen nach Corona-Hilfen für arme Menschen

Alltag als "Vorhölle"

Die Maßnahmen zur Einschränkung des Corona-Virus spalte sich auf die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der Menschen. Zwischen Entschleunigung und Vorhölle seien besonders auch ältere Menschen von Armut bedroht.

Autor/in:
Rainer Nolte
Euromünzen und Scheine / © gemeinfrei
Euromünzen und Scheine / © gemeinfrei

Die Einschränkungen in der Corona-Krise stellen laut Experten vor allem arme Menschen vor Herausforderungen. Daher forderten in einem gemeinsamen Aufruf Verbände und Organisationen am Samstag 100 Euro monatliche Corona-Soforthilfe für Sozialleistungsempfänger.

Auch laut Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werden die Folgen der Krise deutlicher. Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge regte zudem eine neue Ausrichtung des Solidaritätszuschlags an.

Der Vorstandsvorsitzende des Arbeiterwohlfahrt Bundesverbandes, Wolfgang Stadler, erklärte zu dem Appell der Verbände: "Arme Menschen haben in dieser Krise das Nachsehen. Denn die Folgen der Krise sind für uns alle mit Belastungen verbunden, aber Menschen, die sowieso wenig haben, treffen die Auswirkungen mit existenzieller Wucht." Die Gesellschaft müsse Solidarität zeigen.

Lockdown kostet

Der notwendige Lockdown komme arme Menschen besonders teuer zu stehen. Durch das Zuhausebleiben wachse der Energieverbrauch, die Kosten für Grundnahrungsmittel stiegen, zusätzlich müssten Schutz- und Hygieneartikel gekauft werden. "Rücklagen haben die wenigsten Betroffenen. Viele von ihnen gehören zu Risikogruppen", heißt es im Aufruf. Zudem seien Anlaufstellen mit Unterstützungsangeboten wie die Tafeln teils geschlossen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", "die sozialen, psychischen und wirtschaftlichen Folgen werden immer deutlicher". Er betonte, dass das vorsichtige, tastende Vorgehen bei den Lockerungen richtig bleibe.

Um die Armen und Schwachen in der Corona-Krise besser zu unterstützen, forderte der Armutsforscher Butterwegge, statt der geplanten Abschaffung des Solidaritätszuschlags solle er "in seiner alten Form erhalten und zu einem Corona-Soli umgewidmet werden".

Wachsende Altersarmut

Die Altersarmut wird nach Meinung Butterwegges durch die Pandemie deutlich wachsen. "Das Problem wird sich infolge der Corona-Krise mit Sicherheit verschärfen", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Davon seien Rentner doppelt belastet.

Mit Blick auf Daten des Europäischen Statistikamt Eurostat, die laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag) zeigen, dass die Armutsgefährdung älterer Menschen in Deutschland deutlich gestiegen ist, plädierte die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann dazu, die gesetzliche Rente dringend zu stärken. Ihre Partei fordere zudem in der Corona-Krise einen Pandemie-Zuschlag von 200 Euro für alle Rentner, die Grundsicherung im Alter beziehen.

Aufspaltung der Lebenswirklichkeit

Der Psychologe Stephan Grünewald sieht unterdessen eine starke Aufspaltung der Lebenswirklichkeit in der Corona-Krise. Es gebe Menschen, die den Alltag als "Vorhölle erleben", und andere, die die Entschleunigung genießen könnten, sagte er dem Deutschlandfunk.

Grünewald, der dem Corona-Expertenrat von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) angehört, betonte, im Zuge der Krise rückten mittlerweile weitere Bedrohungsszenarien wie Arbeitslosigkeit und die Vernichtung von Existenzen in den Vordergrund. Die Existenzangst vieler Menschen werde immer größer.


Quelle:
KNA