Kirchenkreis dokumentiert über 20 Opfer in Missbrauchsfall in Lüdenscheid

Ergebnisse einer Untersuchung

Sexualisierte Gewalt in mehr als 20 Fällen ist das Ergebnis eines Interventionsteams, das Missbrauchsvorwürfe im Evangelischen Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg untersucht hat. Alle Taten wurden von einem Ehrenamtler begangen. 

Symbolbild Missbrauch / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Missbrauch / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Im Fall des mutmaßlichen Missbrauchs in einer Jugendgruppe im Evangelischen Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg hat das beauftragte Interventionsteam seine Arbeit zur Aufarbeitung der Vorwürfe abgeschlossen.

Nach heutigem Kenntnisstand wurde das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung über vier Jahrzehnte hinweg von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter wiederholt verletzt, wie der Kirchenkreis am Sonntag in Lüdenscheid mitteilte. Der beschuldigte Mann habe in diesem Zeitraum mehr als 20 Jungen sexualisierte Gewalt angetan. Die Aussagen betreffen demnach die Zeit ab 1980.

Der Beschuldigte beging Suizid

Im August 2020 waren Anschuldigen des Missbrauchs gegen den ehrenamtlichen Mitarbeiter öffentlich geworden, der in einer Jugendgruppe der evangelischen Kirchengemeinde Brügge und zuvor im CVJM Lüdenscheid-West tätig gewesen war. Der Beschuldigte beging Suizid. Zuvor war er von allen ehrenamtlichen Tätigkeiten entbunden und ihm ein Hausverbot erteilt worden.

Im Zusammenhang mit dem Fall hat die westfälische Landeskirche den Angaben zufolge Disziplinarverfahren gegen zwei ehemalige Pfarrer der Kirchengemeinde Brügge eröffnet, die derzeit noch laufen. Es sei zudem offen, ob es zu weiteren Verfahren kommt, erklärte der Kirchenkreis. Die vorherigen Erkenntnisse bildeten dazu die Grundlage.

Austausch mit Betroffenen

Mit dem Bekanntwerden des Missbrauchsfalls wurde ein Krisenstab im Kirchenkreis eingerichtet, der später in ein Interventionsteam umgebildet wurde. Es arbeitete mit der Beauftragten der westfälischen Kirche für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung, Kirchenrätin Daniela Fricke, zusammen.

Neben der Aufarbeitung der über einen langen Zeitraum systematisch ausgeübten sexualisierten Gewalt habe auch der Austausch mit den Betroffenen im Fokus gestanden, erklärte der Teamleiter und frühere Arnsberger Superintendent Alfred Hammer. Sie hätten ein Recht auf Aufklärung.

"Sie müssen mit ihrem Anliegen, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt, immer wieder gehört und ernst genommen werden", betonte Hammer. Das Interventionsteam stelle ihnen weiter Angebote in den Bereichen Unterstützung, Seelsorge oder Vermittlung von Beratung zur Verfügung.

Schutzkonzepte erarbeitet

Die westfälische Kirche will laut Hammer die sexualisierten Gewalttaten in der Kirchengemeinde Brügge wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Diese sollten helfen wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, um ähnliche Taten in Zukunft verhindern zu können. Die betroffene Kirchengemeinde erarbeite bereits Schutzkonzepte und plane die aufsichtlichen Strukturen in der Gemeindearbeit neu, hieß es.

In der westfälischen Kirche ist am 1. März ein neues Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in Kraft getreten. Das sieht unter anderem Präventionsschulungen für alle Haupt- und Ehrenamtlichen vor. Der Kirchenkreis Lüdenscheid stellt dafür nach eigenen Angaben zunächst 60.000 Euro in diesem und kommenden Jahr zur Verfügung.

Nach Beschluss der Kreissynode vom Juni wurden vier Fachkräfte dem Projekt zugeteilt, die bis zum März 2024 rund 1.000 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der evangelischen Kirche in der Region schulen sollen.


Quelle:
epd
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