Haustierboom in Corona-Zeiten hat auch Schattenseiten

Ungeduld verursacht unnötiges Leid

Immer mehr Menschen haben sich seit Ausbruch der Pandemie ein Haustier zugelegt. In der Gunst weit vorne liegen Hunde und Katzen. Doch die gestiegene Nachfrage löst bei Tierschützern nicht nur Freude aus.

Autor/in:
Angelika Prauß
Frau mit Mundschutz spielt mit ihrem Hund in der Wohnung / © MT-R (shutterstock)
Frau mit Mundschutz spielt mit ihrem Hund in der Wohnung / © MT-R ( shutterstock )

Der Corona-Lockdown mit seinen starken Einschränkungen hat eines deutlich gezeigt: Menschen sehnen sich nach Nähe und sozialen Kontakten mit Verwandten, Freunden und Kollegen. Weil diese aber kaum noch möglich waren, wählten sich die Deutschen vermehrt auch tierische Begleiter.

Im vergangenen Jahr habe es einen regelrechten "Haustierboom" gegeben, erklärt Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes. Nicht nur der Zoofachhandel, auch Züchter und Tierheime verzeichneten eine "überdurchschnittliche Nachfrage".

Zeitweise standen demnach kaum noch Katzen und Hunde zur Vermittlung; "selbst schwierige Langzeitinsassen" fanden ein Zuhause.

Züchter werden mit Anfragen bombardiert

Aber je länger die Pandemie andauert, desto mehr zeigen sich auch die Schattenseiten der Sehnsucht nach einem tierischen Begleiter. Der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) erklärte jüngst, dass Züchter mit Anfragen noch immer bombardiert würden. Im Corona-Jahr 2020 sind laut dem Züchterverband bundesweit rund 20 Prozent mehr Hunde gekauft worden als sonst.

120 Anfragen für einen Welpenwurf sind bei beliebten Hunderassen wie Labrador-Retrievern keine Seltenheit, weiß VDH-Sprecher Udo Kopernik.

Als privater Züchter müsse man eigentlich fast schon ein "Callcenter" haben. Wer einen Hund vom Züchter möchte, sollte deshalb Geduld mitbringen; Wartezeiten von einem Jahr und länger seien auch ohne Corona nicht ungewöhnlich. Schließlich handele es sich nicht um eine durchgetaktete Autoproduktion, sondern um Lebewesen. Nicht immer werde eine Hündin sofort trächtig. Um die Zeit coronatauglich zu überbrücken, rät der Hundeexperte zur Lektüre von Fachbüchern, um sich auf das Leben mit dem neuen Hausgenossen vorzubereiten.

Ein Problem: Viele möchten sofort ein Tier. Weil die Nachfrage so groß ist, blüht derzeit auch der illegale Welpenhandel. Zudem lässt sich mit Hunden "gut Geld verdienen", sagt Kopernik. Ungeduldige Kunden gerieten deshalb leicht an unseriöse Händler, die wenig am Tierwohl interessiert seien.

Laut Haustierregister "Tasso" werden Hunde vermehrt auch über das Internet angeboten werden, der illegale Online-Welpenhandel blüht.

Aus Osteuropa stammende "Wühltischwelpen" würden nach Deutschland importiert und arglosen Käufern angeboten, kritisiert Tasso-Mitarbeiter Micke Ruckelshaus. Die nur wenige Wochen alte Tiere werden dabei viel zu früh von ihren Müttern getrennt werden. Diese Welpen sind oft nicht nur traumatisiert, sondern auch anfällig für Krankheiten. Allein in Hamburg wurde kürzlich ein bereits toter Hundewelpe im Schuhkarton gefunden, ein weiterer starb, kurz nachdem er in einer Mülltonne entdeckt wurde, wie der Hamburger Tierschutzverein berichtet.

Mit den Tieren überfordert

Andere Menschen sind mit ihren neuen Mitbewohnern mitunter schlicht überfordert. So wurden im Januar beim Tierschutzverein für Berlin vier verhaltensauffällige Junghunde abgegeben - "alle noch unter neun Monate alt, also während der Corona-Zeit angeschafft", so Schmitz.

Auch die Verbandssprecherin sieht mit Sorge, dass Interessenten auf "dubiose Internetangebote" anspringen. Der illegale Welpenhandel 2020 habe durch die Corona-Pandemie einen dramatischen Aufschwung erfahren, bereits im Oktober wurden mehr Fälle als im ganzen Jahr 2019 registriert, darunter auch viele Katzen. Der anonyme Verkauf über das Internet mache es vielen unseriösen Händlern leicht, erklärt Lisa Hoth, Fachreferentin beim Deutschen Tierschutzbund.

Dass der illegale Welpenhandel vermehrt über Online-Plattformen abgewickelt wird, bestätigt eine Untersuchung der internationalen Tierschutzorganisation "Vier Pfoten": 2020 stellte sie fest, dass die Zahl der Anzeigen auf den Plattformen mit den Grenzschließungen um 24 Prozent gefallen war; nach dem Lockdown habe es wieder einen deutlichen Anstieg gegeben.

Damit der Online-Handel mit Tieren sicher wird und kriminelle Händler keine Chance mehr haben, fordert Daniela Schneider, Kampagnenverantwortliche bei "Vier Pfoten", klare Gesetze. Nur noch registrierte Personen sollten in einem Hunderegister angemeldete Tiere inserieren dürfen. "Nur, wenn der Handel nicht mehr lukrativ und die Gefahr, erwischt zu werden, groß ist, werden die kriminellen Händler abgeschreckt - ansonsten finden sie immer wieder Schlupflöcher."

Derweil bröckelt die Finanzierung der Tierheime. Weil diese von den Kommunen meist keine kostendeckende Erstattung für ihre Aufgaben erhielten, seien sie verstärkt auf Spenden angewiesen, beklagt der Tierschutzbund. Durch Corona seien fest einkalkulierte Einnahmen aus Festen, Basaren und Flohmärkten weggebrochen, es werde nur noch halb so viel gespendet. Laut einer Umfrage fürchtet die Hälfte der Heime langfristig die Zahlungsunfähigkeit. Dabei steigen gerade jetzt auch die Ausgaben - etwa für das Aufpäppeln beschlagnahmter Welpen aus illegalem Handel.


Quelle:
KNA