Evangelische Kirche: Elf Leitsätze für Reformen

"Kirche auf gutem Grund"

Die Evangelisch Kirche in Deutschland hat nun auch Reformen angekündigt. Die evangelische wie die katholische Kirche reagieren mit Reformprozessen auf die aktuelle Herausforderungen. Helfen die Reformideen aus der Krise?

Autor/in:
Von Norbert Zonker
"Kirche auf gutem Grund" lautet das Reformmotto der EKD / © Firn (shutterstock)
"Kirche auf gutem Grund" lautet das Reformmotto der EKD / © Firn ( shutterstock )

Beim katholischen Reformdialog ist es das ausdrückliche Ziel, nach dem Missbrauchsskandal verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Schwerpunktthemen sind deshalb die Sexualmoral, die priesterliche Lebensform, Macht und Gewaltenteilung sowie die Rolle von Frauen in der Kirche. Das letzte Wort bei einer möglichen Umsetzung der Beschlüsse in ihrem Bistum haben die jeweiligen Ortsbischöfe. Das soll auch die Einheit mit der Weltkirche gewährleisten und einen nationalen Sonderweg verhindern.

"Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche"

Bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) haben die jetzt an die Mitglieder ihrer Synode versandten "Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche" einen gut zweijährigen Vorlauf. Nach dem Reformationsgedenken hatte das Kirchenparlament die Zukunft in den Blick genommen und Beschlüsse zu den Themen Kirchenentwicklung und Digitalisierung gefasst. Eine von der Synode berufene Arbeitsgruppe ("Z-Team" oder "Zukunftsteam") mit jeweils vier Mitgliedern aus den drei Leitungsgremien der EKD (Synode, Rat und Konferenz der Kirchenleitungen) sowie zusätzlich vier Jugendlichen aus dem Umfeld der Synode hat daraus die "Leitsätze" entwickelt, die in den nächsten Monaten bis zur Synodentagung in Berlin "intensiv diskutiert und dann weiterentwickelt werden" sollen, wie eine EKD-Sprecherin erläuterte. Daran werde sich der Rat der EKD ebenso beteiligen wie die Ausschüsse der Synode, Mitglieder der Kirchenkonferenz sowie auch andere Kirchenmitglieder.

Tiefgreifende Glaubenskrise

In der Präambel heben die Autoren hervor: "Die Krise der Akzeptanz von Kirche und ihrer Botschaft geht einher mit einer tieferliegenden Glaubenskrise. Daher ist die Frage nach der Zukunftsperspektive eine geistliche." Bei der Klärung kirchlicher Zukunftsprozesse sei darum die Frage leitend, "was der Kommunikation des Evangeliums nach innen und außen unter den sich verändernden Bedingungen der Gegenwart dient und was nicht".

Inhaltlich enthält das 15-seitige Papier Überlegungen zu den Stichworten Öffentlichkeit, Frömmigkeit, Mission, Ökumene, Digitalisierung, Kirchenentwicklung, Zugehörigkeit, Mitarbeitende, Leitung, Strukturen, sowie EKD/Landeskirchen. Die Leitsätze sind eher allgemein gefasst und gehen nicht ins Detail - vielleicht ein Grund für die Zustimmung, die aus unterschiedlichen Landeskirchen zu hören ist. So heißt es etwa zum Stichwort "Öffentlichkeit": "Zukünftig wird gezielter öffentliches Reden und diakonisches Handeln der Kirche gefördert, das geistliche Haltung und ethische Verantwortung glaubwürdig und erkennbar verbindet." Der Rückgang kirchlicher Ressourcen, wird weiter ausgeführt, sei "kein Argument gegen die Wahrheit des Evangeliums". Schlussfolgerungen für den Einsatz kirchlicher Ressourcen werden nicht gezogen.

Abbau "versäulter Strukturen"

Etwas konkreter wird unter dem Stichwort "Strukturen" vorgeschlagen: "Versäulte Strukturen werden abgebaut, eine besonnene Entbürokratisierung durchgesetzt und das Gremienwesen entschlackt." Die kirchliche Verwaltung solle "nicht nur kleiner, sondern schlanker und effizienter durch mehr gemeinsames und ein besser koordiniertes Handeln" werden. Dabei werden Einsparungsgewinne in Höhe von 15 Prozent der ursprünglichen Verwaltungskosten erhofft.

Auch beim Thema Ökumene werden Einsparpotenziale erkannt: Konfessionelle Alleingänge seien auf vielen Gebieten nicht mehr finanzierbar. Doppel- und Mehrfachbesetzungen könnten in vielen Arbeitsbereichen "ersetzt werden durch ein stellvertretendes Handeln, das die unterschiedlichen Selbstverständnisse respektiert". Als Beispiel nennt das Papier die sogenannte kategoriale Seelsorge bei Polizei, Bundeswehr oder Gefängnis, wo ein Drittel der bestehenden Doppelungen abgebaut werden könne. Weitere Bereiche seien die Diakonie und die Entwicklung neuer Formen "ökumenischer Gemeindearbeit bis hin zu ökumenischen, mehrkonfessionellen Gemeinden".

Mitwirkung der Landeskirchen notwendig

Wie es mit den Leitsätzen genau weitergeht und wie sie konkretisiert werden, ist noch nicht abzusehen, zumal, wie Synoden-Präses Irmgard Schwaetzer in einem Interview erklärte, das zunächst "mit denen gesprochen werden [muss], die von der neuen Zuordnung von Ressourcen betroffen sind". Die Eingriffsmöglichkeit der EKD auf die 20 Landeskirchen ist ohnehin begrenzt; Änderungen sind nur durchsetzbar, soweit diese mitziehen.

Hinzu kommt ein praktisches Problem: Im nächsten Jahr konstituiert sich die Synode neu, anschließend wird ein neuer Rat gewählt. Wie diese das Projekt weiter verfolgen werden, wird sich zeigen und hängt nicht zuletzt an den dann zuständigen Akteuren. Das letzte größere Reformprojekt unter dem Leitwort "Kirche der Freiheit" ist bekanntlich nach dem Ende der Amtszeit des damaligen Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber, der es maßgeblich auf den Weg gebracht hatte, ziemlich sang- und klanglos versandet.


Quelle:
KNA