Kommt Papst Franziskus bald nach Deutschland?

Da gibt es ein Zeitfenster

Was soll der "Papst der Armen" in einem der reichsten Länder der Welt? Bisher ist Franziskus keiner Einladung nach Deutschland gefolgt. Jetzt aber wird in einer Pressemitteilung auf eine Einladung von Angela Merkel hingewiesen. Kommt er tatsächlich?

Papst Franziskus verlässt Flugzeug (Archiv) / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus verlässt Flugzeug (Archiv) / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Angela Merkel hat Franziskus nach Deutschland eingeladen. Die beiden haben kürzlich auch miteinander telefoniert. Was weiß man über dieses Telefonat?

Lucas Wiegelmann (Vatikankorrespondent der Herder Korrespondenz): Na ja, auf dem offiziellen Wege ist über dieses Telefonat nicht so wahnsinnig viel bekannt geworden. Der Vatikan hat dazu in einem ersten Schritt gar nichts bekannt gegeben und die Bundesregierung hat eine sehr schmallippige Pressemitteilung abgegeben.

Darin hieß es, dass sich die beiden über aktuelle Themen der Wirtschaftspolitik, Entwicklungspolitik und Europapolitik ausgetauscht hätten und man da irgendwie ein Einvernehmen erzielt hätte.

Aber das Spannende an dieser sehr knappen Pressemitteilung war der letzte Satz, der ganz lakonisch daherkam und lautete: Die Bundeskanzlerin hat bei dieser Gelegenheit Papst Franziskus nach Deutschland eingeladen, sobald das angesichts der Corona-Krise wieder möglich wäre.

Das ist das, was bisher offiziell bekannt ist. Und seitdem rätseln die Vatikanologen, was es damit auf sich haben könnte und wie ernst das gemeint ist. Da wird es dann spannend sein, zu sehen, was zwischen den Zeilen eigentlich gemeint ist.

DOMRADIO.DE: Es ist aber auch nicht die erste Einladung, die die Kanzlerin ausgesprochen hat. Sie hat Papst Franziskus schon einige Male eingeladen. Was weiß man darüber?

Wiegelmann: Das stimmt. Es hieß bisher immer: Wenn man den Papst nach Deutschland einlädt, freut er sich, aber er wird wohl nicht kommen. Es hat schon mindestens drei offizielle Einladungen gegeben, mal aus der Politik, mal auch aus der Kirche.

Die EKD (Evangelische Kirche in Deutschland, Anm. d. Red.) und die Deutsche Bischofskonferenz haben auch schon mal in Rom vorgesprochen und den Papst offiziell eingeladen. Angela Merkel hat auch schon mal damals gemeinsam mit Bundespräsident Gauck versucht, den Papst nach Deutschland zu locken. Das ist irgendwie nie Realität geworden.

Angeblich, weil Papst Franziskus nicht so richtig wusste, was er in Deutschland soll. Papst Franziskus ist der "Papst der Ränder", der "Papst der Armen". Was soll er in einem der reichsten Länder der Welt? Dazu noch in einem Land, wo die katholische Kirche eher eine Krise erlebt, als einen Aufschwung oder Boom.

Es passte irgendwie nicht zu seinem Programm, weil er doch eigentlich dahin gehen möchte, wo sonst niemand hingeht. So erklärt man sich bisher, dass er in Deutschland trotz dieser vielen Versuche nicht angekommen ist.

Dann gibt es natürlich jedes Mal noch konkrete, einzelne Gründe, die vielleicht dazukommen. Zum Beispiel hatte man 2017 große Hoffnungen, ihn zum großen Luther-Gedenken, zum 500. Gedenkjahr der Reformation, nach Deutschland zu bekommen. Da hat offensichtlich die Vatikandiplomatie am Ende gesagt: Das ist ein zu heikles Terrain, wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche zur großen Reformationsparty nach Deutschland kommt.

Das ist ein Vorgang, der zu vieldeutig wäre, zu viele Diskussionen auslösen würde. Deswegen ist der Papst zum Reformationsgedenken nach Lund in Schweden gereist, wo der Lutherische Weltbund sitzt, also der offizielle Ansprechpartner des Vatikan in ökumenischen Fragen mit den protestantischen Kirchen.

So gibt es eben jeweils für die einzelnen Anlässe noch mal Spezialgründe, die jeweils dagegen gesprochen haben. Aber insgesamt muss man sagen: Papst Franziskus und eine Deutschlandreise, das schien bisher nicht so wahnsinnig wahrscheinlich zu sein.

DOMRADIO.DE: Und was spricht jetzt ausgerechnet dafür, dass Franziskus nach Deutschland kommen könnte?

Wiegelmann: Von außen gesagt ist es schon alleine diese Pressemitteilung. Es ist einfach bemerkenswert, dass dieser schmale Satz dort unbedingt rein musste, obwohl sie so wahnsinnig knapp war.

Daraus kann man schon schließen, dass es beiden Seiten, sowohl Angela Merkel als auch Papst Franziskus, durchaus ein Anliegen gewesen ist, bekannt zu geben, dass es diese Überlegungen gibt.

Sowas schreibt man nicht rein, wenn in dem Telefonat schon direkt gesagt worden ist: "Wir hätten sie so gerne in Deutschland, Heiliger Vater, aber wir wissen ja, dass Sie nicht kommen." Sondern offensichtlich ist das Gespräch an diesem Punkt noch nicht zu Ende.

DOMRADIO.DE: Kann man denn schon sagen, zu welchem Zeitpunkt der Besuch der Fall sein könnte?

Wiegelmann: Das hängt mit den weiteren Überlegungen zusammen, warum es diesmal klappen könnte. Ein ganz wichtiger Punkt für den Papst wäre sicherlich die gewachsene Beziehung zu Angela Merkel.

Die beiden kennen sich jetzt sehr gut, sie haben sich schon viermal persönlich getroffen, haben immer wieder Kontakt, Briefkontakt und auch telefonischen Kontakt. Sie können sich ja auch teilweise ein bisschen auf Deutsch unterhalten.

Wenn Angela Merkel etwas auf Deutsch sagt, wartet Franziskus oft am Telefon gar nicht ab, bis der Übersetzer alles ins Italienische übersetzt hat, sondern kann direkt antworten und sich auf diese Weise sehr direkt mit dir austauschen.

Wenn diese persönliche Verbindung zwischen Merkel und Franziskus tatsächlich ein Punkt wäre, der diesmal den Ausschlag geben könnte, haben wir einen Zeitpunkt, bis zu dem dieser Besuch auf jeden Fall über die Bühne gehen müsste.

Denn Angela Merkel ist ja nur noch bis Herbst 2021 im Amt. Wenn Papst Franziskus sie als die Bundeskanzlerin der Flüchtlingshilfe, die Bundeskanzlerin der europäischen Solidarität würdigen und noch im Amt antreffen möchte, wird er das vorher machen müssen.

Dann muss man noch berücksichtigen, dass die Vatikandiplomatie gerne vor einem Papstbesuch ein bisschen Puffer lässt bis zu einer Wahl. Das heißt, wenn die Bundestagswahlen 2021 sind, wird er wahrscheinlich die drei Monate davor auch nicht kommen können. Das würde als Affront gelten.

DOMRADIO.DE: Wie sehr beobachtet der Papst denn die Geschicke der katholischen Kirche in Deutschland und besonders die Entwicklungen rund um den Synodalen Weg?

Wiegelmann: Das ist tatsächlich etwas, das uns Reporter hier in Rom immer wieder neu verblüfft. Wie genau hat Franziskus die Situation beobachtet? Wie sehr er sich doch auf dem Laufenden hält und persönlich er Anteil nimmt.

Er möchte, so sagen es jedenfalls Leute, die es wissen müssen und die mit ihm zu tun haben, genauestens informiert werden, wie der Synodale Weg in Deutschland läuft, in welche Richtung er läuft, wie die Gesprächsprozesse ablaufen.

Das interessiert ihn, weil das ja letztlich die Probe aufs Exempel dieser dialogischen Kirche ist, die ihm vorschwebt. Er möchte quasi diesen Feldversuch, der da in Deutschland läuft, selber beobachten. Das hat ja auch der Brief gezeigt, den Papst Franziskus selbst letztes Jahr an die Deutschen geschrieben hat. Er ist da sehr genau im Bilde und sehr interessiert an diesen Vorgängen. 

Das Interview führte Martin Bornemeier. 


Scheinen sich gut zu verstehen: Papst Franziskus und Angela Merkel / © Ettore Ferrari (dpa)
Scheinen sich gut zu verstehen: Papst Franziskus und Angela Merkel / © Ettore Ferrari ( dpa )
Quelle:
DR