Freud und Leid um Weihnachtslieder

Ohrenschmaus oder Ohrengraus?

Die Weihnachtsmarktsaison ist in vollem Gang und überall erklingen Weihnachtslieder. Zur Freude des einen, zum Leidwesen des anderen. Doch warum kann man bestimmte Stücke nicht mehr hören und manche dagegen nicht oft genug?

Autor/in:
Sebastian Witte
Noten zu "Stille Nacht" / © Michael Kappeler (dpa)
Noten zu "Stille Nacht" / © Michael Kappeler ( dpa )

Auf dem Weihnachtsmarkt am Kölner Dom riecht es nach Plätzchen, tausende Lichter hängen an den Tannenbäumen und man hört Weihnachtsmusik. Aus den Boxen und von der Bühne tönen Klassiker wie "Jingle Bells", "O Tannenbaum" oder "Last Christmas".

Die Musik soll für festliche Stimmung bei den Besucherinnen und Besuchern sorgen und das scheint auch zu funktionieren. "Ich mag die Lieder alle noch und ich würde die jederzeit wieder hören," so eine junge Besucherin. Ein anderer sagt: "Zum Weihnachtsmarkt gehört das dazu. Aber den ganzen Tag kann ich das nicht auch nicht aushalten." Wer die Lieder nicht mag, geht also einfach wieder.

Bubenbesitzer in der Musikfalle

Anders ist es bei den Leuten, die auf dem Markt arbeiten, denn die müssen zuhören. Eine Schmuckverkäuferin erklärt: "Weihnachtlich ist das nicht, denn da kommen immer die gleichen Lieder." Ihre Lösung, um sich von der Musik nicht nerven zu lassen: "Ich singe einfach Texte darauf mit, die ich mir selber ausdenke." Ein Mann, der auf dem Markt am Dom Süßigkeiten verkauft, ist sogar richtig genervt von den Liedern. "Last Christmas kann ich nicht mehr hören. Das stresst mich ohne Ende."

So geht es vielen Menschen. Sie können den Weihnachtsklassiker der 1980er-Jahre-Band Wham nicht mehr hören. Andere dagegen lieben "Last Christmas". Aber hört man manche Lieder in Dauerschleife und kriegt gar nicht genug davon?

Musikwissenschaftler erklärt Halbwertzeitzeit der Lieder

Rainer Nonnenmann erklärt, dass das oft an einer besonderen Erinnerung liegt, die man mit dem jeweiligen Lied verbindet. Nonnemann ist Professor für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. Wenn man mit einem Stück eine Erinnerung verbindet, sei das ein "außermusikalischer Faktor", sagt der Musikwissenschaftler. "Es gibt außermusikalische Faktoren und innermusikalische. Innermusikalisch wäre etwa die Vielschichtigkeit, der Klang, der Verlauf. Das heißt, ich hab die Varianz beim Hören, obwohl das Stück gleich bleibt. Darum erlebe ich das immer wieder anders."

Der Hörer kann also bei jedem Hören noch etwas Neues in einem Song entdecken, wenn dieser vielschichtig klingt. Kurz gesagt: Je komplexer ein Lied, desto länger ist seine Halbwertzeit. Aber irgendwann wird aber auch das schönste und vielschichtigste Lied langweilig.

Tricks helfen

Dann nervt es, so wie die Verkäufer und Verkäuferinnen auf dem Weihnachtsmarkt von der musikalischen Dauerschleife genervt sind. Auch dafür hat Rainer Nonnenmann Erklärung. "Reproduktion stumpft ab. Wiederholung macht uns irgendwann träge und gibt uns nicht mehr diese Stimmung, die wir bei dem Song eigentlich haben wollen. Die Wirkung bleibt einfach aus."

Damit auch die altbekannten Weihnachtslieder nicht langweilig werden, hat sich die Musikindustrie einen Trick ausgedacht, erklärt Nonnenmann. "Es gibt ja sehr viele Neuauflagen oder Remixe von Weihnachtsliedern. Diese Lieder sind dann ein bisschen anders gesungen oder anders instrumentiert. Vielleicht ertragen wir sie dann wieder ein bisschen besser, als wenn es immer wieder dasselbe ist."


Vielerorts sind die "Weihnachtsmärkte" eröffnet / © Britta Pedersen (dpa)
Vielerorts sind die "Weihnachtsmärkte" eröffnet / © Britta Pedersen ( dpa )
Quelle:
DR
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