Kolpingwerk sieht Druck auf Herkunftsländer von Flüchtlingen kritisch

"Es geht um Menschenrechte"

Entwicklungshilfe gegen Rücknahme von Asylsuchenden: Markus Demele vom Internationalen Kolpingwerk lehnt diesen neuesten Politikvorstoß ab. Vielmehr gehe es darum, die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken.

Schulkinder einer wiederaufgebauten Schule in Mossul  / © Kay Nietfeld (dpa)
Schulkinder einer wiederaufgebauten Schule in Mossul / © Kay Nietfeld ( dpa )

DOMRADIO.DE: Nach den Vorfällen in einem Flüchtlingsheim in Ellwangen vergangene Woche, wo 200 Flüchtlinge teils gewaltsam die Abschiebung eines Mannes aus Togo verhindern wollten, wird in Deutschland wieder darüber diskutiert, wie wir mit Asylsuchenden umgehen sollen. Länder, die abgelehnte Asylsuchende aus Deutschland nicht zurücknehmen, sollen weniger oder keine finanzielle Unterstützung mehr bekommen – wie finden Sie den Vorschlag?

Markus Demele (Generalsekretär des Internationalen Kolpingwerks): Zunächst klingt es plausibel. Wieso sollte ich mit jemandem kooperieren, der unfreundlich oder nicht bereit ist, mit mir zu kooperieren? Aber die Entwicklungszusammenarbeit folgt natürlich anderen Begründungen. Man muss sich auch fragen, warum diese Länder die Leute nicht zurücknehmen. Einige Länder haben schon auf der Verwaltungsebene nicht die Kapazitäten, so eine Rückführung leicht zu administrieren. Aber es gibt natürlich auch echte Verweigerer.

Trotzdem ist die Logik und die Begründung, warum wir überhaupt Entwicklungszusammenarbeit machen, eine ganz andere. Unsere deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist wertebasiert. Es geht um Menschenrechte, beim Kolpingwerk auch um ein christliches Menschenbild. Wir arbeiten ja nicht direkt mit einer Regierung zusammen, die wir an der Macht erhalten wollen, sondern mit den Menschen vor Ort, um ihnen überhaupt eine Perspektive in ihrer Heimat zu geben.

DOMRADIO.DE: Die Debatte gibt es seit dem Anschlag 2016 in Berlin, weil auch der Attentäter Anis Amri längst hätte abgeschoben werden sollen. Darf man in einem solchen Fall Entwicklungshilfe als Druckmittel einsetzen?

Demele: Entwicklungshilfe war schon immer ein schwaches Druckmittel. Wenn wir zum Beispiel auf die Entwicklungskooperation mit China blicken: Dort werden Projekte unterstützt, die Demokratie schulen, die die Zivilgesellschaft stärken. Dadurch, dass die Bundesregierung ihre Mittel in der Regel nicht als Budgethilfe der Regierung gibt, sondern mit der Zivilgesellschaft und den Menschen direkt vor Ort zusammenarbeitet, ist das eine sanfte Form von Druck.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit macht also die Akteure stark, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Dass korrupte Regime an der Macht gehalten werden, geschieht in der Regel nicht mit deutschen Entwicklungshilfegeldern.

DOMRADIO.DE: Immer wieder heißt es in der Politik, man wolle die Fluchtursachen bekämpfen. Sehen Sie da eigentlich irgendwelche zielführenden und ernsthafte Bemühungen derzeit?

Demele: Auch wenn wir vor immensen Herausforderungen stehen, sind Erfolge da. Entwicklungszusammenarbeit funktioniert. Es gibt Leute, die es skeptisch sehen, wenn wir Milliarden Euros in diese Länder geben. Sie fragen sich, was dabei herauskommt. Aber man muss immer wieder sagen: Es kommt eine ganze Menge dabei raus. Wir erleben das in unserer täglichen Arbeit.

In der letzten Zeit haben sich zum Beispiel Verbände und Selbsthilfestrukturen aufgebaut, wo Menschen sich tatsächlich aus der Armut befreien konnten. Da passiert ganz viel. Leider wird einiges auch wieder durch andere Politikfelder konterkariert. Papst Franziskus hat Recht, wenn er sagt, dass diese Wirtschaft tötet. Gegen unfairen Handel und Ausbeutung bei schlechten Arbeitsbedingungen kommen wir mit dem, was Entwicklungszusammenarbeit leisten kann, kaum an.

DOMRADIO.DE: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach in dem Zusammenhang von einer "Anti-Abschiebe-Industrie". Wie empfinden Sie eigentlich die derzeitige Rhetorik?

Demele: Die größte Gefahr, wenn man schon länger im politischen Geschäft tätig ist, ist, dass man bestimmte Politikfelder nur noch als Verwaltungsvorgänge sieht – und nicht mehr die Menschen und Schicksale, die dahinter stehen. Wenn so eine Rhetorik mit der Angst vor Überfremdung und sozialem Abstieg vermischt wird, kann das ganz gefährlich werden.

Ich glaube gerade für Politiker, die das Christliche im Munde führen, schickt es sich nicht an, so zu sprechen. Dass die Kluft zwischen den Kirchen und Bischöfen und den Menschen, die solche Parolen in die Welt setzen, wächst, spricht Bände. Ich glaube, es ist kein hilfreiches und lösungsorientiertes Vorgehen.


Quelle:
DR
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