Bundestag will "Völkermord" an Armeniern beim Namen nennen

Heikler Streit um das "V"-Wort

Die türkische Regierung behauptet, es habe ihn nie gegeben. Doch jetzt will der Bundestag das Wort vom "Völkermord" an den Armeniern nach langem Zögern in einem Antrag verwenden. Und auch Papst Franziskus könnte seine Aussage erneuern.

Transparent armenischer Demonstranten vor dem Bundestag / © Stephanie Pilick (dpa)
Transparent armenischer Demonstranten vor dem Bundestag / © Stephanie Pilick ( dpa )

Es ist ein jahrelanger heikler Streit um ein Wort. Soll der Bundestag die Massaker an bis zu 1,5 Millionen Armeniern, Pontos-Griechen, Assyrern und Aramäern im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnen? Schon im vergangenen Jahr, zum 100. Jahrestag des Beginns der Gewalttaten Ende April 1915, lag dem Parlament ein entsprechender Antrag vor. Er wurde - mit Rücksicht auf die Beziehungen zur Türkei - vertagt. Allerdings benannte Bundespräsident Joachim Gauck die Massaker an den Armeniern damals klar als "Völkermord" und wies auf eine deutsche Beteiligung hin.

Historiker sprechen von Völkermord

Zwischen 1915 und 1918 waren im damaligen Osmanischen Reich bis zu 1,5 Millionen Angehörige christlicher Minderheiten ermordet worden. Während Historiker vom "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" sprechen, räumt die Türkei bisher lediglich Massenvertreibungen und gewalttätige Auseinandersetzungen ein.

Thema auf Bundestags-Tagesordnung

Jetzt steht das Thema erneut auf der Tagesordnung: Am 2. Juni will sich das Parlament mit dem Antrag "Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Bevölkerungsgruppen im Osmanischen Reich vor 101 Jahren" befassen.

Unterstützt wird er laut Homepage des Bundestags von den Fraktionen der Union, der SPD und der Grünen. Der genaue Text befindet sich derzeit innerhalb der Fraktionen in der Abstimmung. Aus dem Titel geht aber deutlich hervor, dass der Bundestag das umstrittene "V"-Wort aussprechen wird. Und das ausgerechnet mitten im Streit zwischen EU und Türkei um Visa-Abkommen und Flüchtlingspakt.

Belastungsprobe mit der Türkei

Es droht eine weitere Belastungsprobe in den Beziehungen zur Türkei: "Es ist nicht Aufgabe der nationalen Parlamente, über die Geschichte zu urteilen", sagte der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, neulich der "Rheinischen Post". Die Regierung in Ankara hat wiederholt sehr empfindlich auf entsprechende Beschlüsse und Äußerungen westlicher Politiker reagiert. Was ist, wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auch aus Ärger über die Völkermord-Resolution den Flüchtlingsdeal platzen lässt?

Wie heikel die Angelegenheit ist, ließ Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Pfingstwochenende durchblicken. "Ich hoffe, dass die deutsch-türkischen Beziehungen durch die Resolution nicht belastet werden und wir weiter gut zusammenarbeiten können", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". Deutschland werde sich auch weiterhin für eine Verständigung "zwischen der Türkei und Armenien einsetzen".

Auf die Frage, ob er der Resolution im Bundestag zustimmen werde, sagte Steinmeier, die SPD werde geschlossen abstimmen. Das hatte zuvor auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann bekräftigt: "Ich bin gegen einen devoten Umgang mit Erdogan. Wir sollten hier keine falschen Rücksichten nehmen", sagte er der "Bild am Sonntag".

Deutschland trage als ehemaliger Hauptverbündeter des Osmanischen Reiches eine besondere historische Verantwortung. Auch Grünen-Chef Cem Özdemir, Initiator des Armenien-Antrags, sagte: "Es kann schon sein, dass es Ärger aus Ankara gibt. Aber der Bundestag lässt sich nicht von einem Despoten wie Herrn Erdogan erpressen."

Klare Position von Papst Franziskus

Eine klare Position hat auch Papst Franziskus bezogen - und in Kauf genommen, dass Ankara sehr dünnhäutig reagierte. In einem Gottesdienst zum 100. Jahrestag des Beginns der Armenier-Verfolgung im April 2015 bezeichnete er die Ereignisse als "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts". Und mahnte die Türkei, die Erinnerung an den Völkermord zu pflegen: "Wo es keine Erinnerung gibt, hält das Böse die Wunde weiter offen", so Franziskus. 

Der Protest der Türkei erfolgte prompt. Das Außenministerium bestellte den vatikanischen Botschafter ein und protestierte offiziell. Außenminister Mevlüt Cavusoglu erklärte, der Papst schüre "Hass". Erdogan nannte die Äußerung des Papstes "Unsinn" und warnte ihn davor, sie zu wiederholen. 

Franziskus wird sich wohl nicht daran halten. Bei seiner Armenienreise vom 24. bis 26. Juni will das Kirchenoberhaupt auch eine Gedenkstätte für den Völkermord besuchen. Laut Reiseprogramm will der Papst gut eine Stunde am Denkmalkomplex von Zizernakaberd, westlich der armenischen Hauptstadt Jerewan, verweilen.


Der Deutsche Bundestag (dpa)
Der Deutsche Bundestag / ( dpa )

Papst Franziskus / © Giorgio Onorati (dpa)
Papst Franziskus / © Giorgio Onorati ( dpa )
Quelle:
KNA