Konsul Rößler kämpfte vergeblich gegen Genozid an Armeniern

"Den Greueln Einhalt tun"

Sein Name ist fast vergessen. Doch der Diplomat Walter Rößler verdient es, wegen seines Kampfs gegen den Genozid am armenischen Volk in Erinnerung zu bleiben.

Autor/in:
Christoph Arens
Gedenken an Opfer des Völkermordes / © Sedat Suna (dpa)
Gedenken an Opfer des Völkermordes / © Sedat Suna ( dpa )

"Ist keine Möglichkeit, den Greueln Einhalt zu tun?" Die Telegramme des deutschen Konsuls von Aleppo, Walter Rößler (1871-1929), wurden im Verlauf des Jahres 1915 immer verzweifelter.

Schrittweise kam er zu der Erkenntnis, dass es sich nicht um vereinzelte Ausschreitungen, sondern um ein gezieltes Ausrottungsprogramm der türkischen Behörden an den christlichen Armeniern handelte, wie Kai Seyffahrt in seinem Buch "Walter Rößler. Helfer der verfolgten Armenier" schreibt.

"Stelle gehorsamst anheim, dieser Politik entgegenzuwirken"

Rößler, in Berlin geboren und von 1910 bis 1918 Konsul im syrischen Aleppo, setzte sich während des Ersten Weltkriegs so stark wie wohl kaum ein anderer deutscher Diplomat für die Armenier ein. "Alles läuft trotz gegenteiliger Versicherung der Hohen Pforte auf Vernichtung des armenischen Volkes hinaus", warnte der Diplomat am 18. September 1915 hellsichtig in einem Schreiben an die Deutsche Botschaft in Konstantinopel. Rößler hoffte, mit Aufklärung und energischem Protest ließe sich dem Morden Einhalt gebieten. "Stelle gehorsamst anheim, dieser Politik entgegenzuwirken", heißt es immer wieder in seinen Berichten. Vergeblich.

Mehr als 200 Berichte und Telegramme Rößlers berichten von unvorstellbarem Grauen. "In Besnije ist die ganze Bevölkerung von rund 1.800 Frauen und Kindern und wenigen Männern ausgewiesen. Am Göksu, einem Nebenfluss des Euphrat, mussten sie sich auskleiden, wurden sämtlich niedergemacht und in den Fluss geworfen."

Drehkreuz des Völkermords war Aleppo

Aleppo, heute im syrischen Bürgerkrieg durch brutale Kämpfe zerstört, war vor hundert Jahren schon einmal Schauplatz unvorstellbarer Verbrechen. Als wichtiger Eisenbahnknotenpunkt entwickelte sich die Stadt zu einem Drehkreuz des Völkermords. Hier teilten sich die Deportationsrouten in Richtung Palästina und in Richtung Euphrat. Von hier wurden selbst Greise, Frauen und Kinder unter Peitschenhieben in die mesopotamische Wüste getrieben, vorbei an tausenden Leichen am Wegesrand. Wer helfen wollte, wurde barsch zurückgewiesen.

Rößlers Berichte nach Konstantinopel oder an das Auswärtige Amt in Berlin belegen den Verdacht, dass der Tod von bis zu 1,5 Millionen Armeniern, Aramäern und anderen christlichen Minderheiten gezielt geplant war. Der politisch wenig einflussreiche Idealist lief mit seinen Hilferufen immer wieder gegen Wände. Ganz der pflichtbewusste patriotische preußisch-protestantische Beamte, kam er nach Einschätzung seines Biografen Seyffarth gar nicht auf die Idee, dass die Berliner Regierung die Verbrechen decken könnte und nicht bereit war, einzugreifen.

Türken waren Verbündete des Kaiserreichs

Doch Berlin hatte allen Grund zur Verschleierung: Die Türken waren Verbündete des Reichs im Ersten Weltkrieg. Ziel der Kaiserlichen Regierung war es, die deutschen Truppen im Mehrfrontenkrieg gegen Russen und westliche Alliierte zu entlasten. Die Türken, die den Krieg nutzen wollten, einen ethnisch und religiös einheitlichen Staat zu schaffen, durften nicht verärgert werden.

Rößler beließ es allerdings nicht bei schriftlichen Eingaben. Unermüdlich arbeitete er an einem Netzwerk zur Rettung von Armeniern, das aus europäischen Missionaren, ausländischen Hilfsgesellschaften, ortsansässigen Armeniern oder auch deutschen Lehrern, Kaufleuten oder Ingenieuren der Bagdadbahn bestand. Zugleich versuchte er mit der Autorität eines Diplomaten, auf türkische Behörden einzuwirken und Not zu lindern. Damit riskierte er seine berufliche Zukunft.

"Walter Rößler war nicht zum Helden geboren. Doch als die Not der Zeit an ihn herantrat, verschloss er sich nicht", schreibt Seyffahrt.

Ein Missionar veröffentlichte Rößlers Akten

In Franz Werfels Bestseller "Die 40 Tage des Musa Dagh" ging sein Wirken in die Literatur ein. Wenige Wochen nach der Kapitulation Deutschlands sorgte Rößler dafür, dass die Berichte des Konsulats und die Armenien-Akten der Botschaft in Konstantinopel nach Berlin gebracht wurden. Der evangelische Missionar Johannes Lepsius veröffentlichte bereits 1919 - nach Vorarbeit Rößlers - einen Teil der Akten - allerdings auch, um den Vorwurf einer deutschen Mitverantwortung zurückzuweisen.

Rößler starb 1929 in Berlin an Parkinson. Dem damaligen Deutschland war sein Eintreten für die Armenier keine Nachricht mehr wert.

 


Quelle:
KNA