Mainz, Worms und Speyer freuen sich über UNESCO-Titel

Wiege des mittelalterlichen Judentums

Die sogenannten SchUM-Städte Mainz, Worms und Speyer, in denen das jüdische Leben im Mittelalter sehr präsent war, sind jetzt UNESCO-Weltkulturerbe. Doch was macht die Stätten eigentlich so besonders? 

Blick in das Gebäude der Mikwe in Speyer aus dem Jahr 1120 / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Blick in das Gebäude der Mikwe in Speyer aus dem Jahr 1120 / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie sich angesichts der UNESCO-Entscheidung gefühlt?

Susanne Urban (Geschäftsführerin der SchUM-Städte e.V.): Als die Entscheidung fiel und alle Akteure vor der Leinwand saßen, war erst angespannte Stille, dann war Erleichterung. Dann kam verhaltenes Klatschen und dann haben sich alle angeschaut und haben gestrahlt über beide Backen.

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn damit gerechnet?

Urban: Es gibt ja so eine Art Beschlussvorlage vom Internationalen Denkmalrat nach der Evaluation der Stätten. Und die haben die Bewerbung als uneingeschränkte Einschreibung (in die Welterbeliste, Anm. d. Red.) bewertet. Aber ein Vorstand kann so etwas natürlich auch noch abwehren. Aber es wurde dann eben auch wirklich uneingeschränkt eingeschrieben, mit ein paar kleinen Hinweisen, auf was wir in Zukunft achten sollen. Und insofern ging dann alles glatt.

DOMRADIO.DE: SchUM-Städte hört sich geheimnisvoll aus. Was steckt dahinter?

Urban: Die Städte Speyer, Worms und Mainz hatten hebräische Städtenamen in den jüdischen Gemeinden. Man benannte Speyer als Schpira (Schin – Sch), Worms war Warmaisa (Waw – U) und Mainz war Magenza (Mem – M). Und wenn Sie da jeweils die Anfangsbuchstaben nehmen, dann kommen sie auf SchUM.

DOMRADIO.DE: Was macht das jüdische Erbe in diesen Städten Mainz, Worms und Speyer so besonders, dass die UNESCO sagt: Das ist ein Welterbe?

Urban: SchUM war die Wiege des aschkenasischen, also des mitteleuropäischen Judentums und zwar was Vorbild gebende Architektur, Innovationskraft und auch Religionsgesetze, religiöse Beschlüsse und religiöse Gelehrsamkeit betrifft. Das heißt, die Monumente sind einzigartig, wie sie entstanden sind, was sie zeigen und was sie bedeuten. Die Friedhöfe waren sozusagen eine Grundlage für die Ausbildung der Grabkultur in diesem Raum im aschkenasischen Westeuropa. Und dann fand in diesen Mauern immer unglaublich viel Gelehrsamkeit statt. Und das alles zusammen und noch viel mehr führte dazu, dass es authentisch und einzigartig ist.

DOMRADIO.DE: Und dieses mittelalterliche Kulturgut, das kann man in den Städten auch noch heute sehen?

Urban: Ja, wir können von Speyer nach Mainz reisen. Dort sieht, erwandert, erlebt oder entdeckt man Synagogen und die ersten Frauenbeträume, die wir überhaupt kennen. Wir erleben monumentale Ritualbäder, die eine rituelle Reinigung choreografieren. Wir erleben Räume, in denen gelehrt, gestritten und gebetet wurde. Und wir erleben diese Friedhöfe, die sich wie ein Geschichtsbuch öffnen und von den Menschen der Gemeinde erzählen.

DOMRADIO.DE: Was ist da Ihre Rolle als Verein? Wie pflegen Sie dieses Kulturgut?

Urban: Der Verein vereint, im wahrsten Sinne des Wortes, alle Akteure. Das heißt: das Land, die drei Städte, die jüdische Gemeinde Mainz, die jüdische Gemeinde Speyer, der Landesverband der jüdischen Gemeinden und die Geschäftsführung. Und diese sieben Akteure, mit all den anderen Akteuren, die jeweils dahinter stehen, kümmern sich eigentlich um alles, Grünpflege, Denkmalpflege, Präsentation, Museales – alle sind wir da drin gebündelt. Und das macht es natürlich sehr spannend.

DOMRADIO.DE: Bei dem jüdischen Erbe, bei den Stätten, da geht es viel um Historie. Es geht um alte Architektur, es geht um jüdische Friedhöfe. Gib es denn in den SchUM-Städten auch etwas, das bis in das heutige jüdische Leben hineinreicht?

Urban: Man könnte sagen: alles. Denn die Architektur findet sich noch zum Beispiel in der Synagoge in Worms, wo die gleichen Säulen zu finden sind. Das war Vorbild für Prag, für Krakau, für Wien, für Regensburg. Dann gibt es ein Lehrhaus, einen Anbau, hier in der Wormser Synagoge. Das wurde sogar eins zu eins in einem Museum in Tel Aviv nachgebaut. Es ist ganz viel ikonographische Architektur, aber eben auch Gelehrsamkeit. Man hört also heute noch Liturgien, Gebete und Gesänge, die aus dieser Zeit des 11. bis 13. Jahrhunderts stammen. Und das wird noch an Feiertagen und an manchen Tagen in den Synagogen auf der ganzen Welt gesungen und gebetet.

Das Interview führte Gerald Mayer.


Dr. Susanne Urban, Geschäftsführerin der SchUM-Städte e.V. (privat)
Dr. Susanne Urban, Geschäftsführerin der SchUM-Städte e.V. / ( privat )
Quelle:
DR