Ultraorthodoxe wollten nach Unglück weiterfeiern

"Es interessiert uns nicht, was ihr sagt"

Nach einer Massenpanik an einer israelischen Pilgerstätte wird darüber diskutiert, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Ultraorthodoxe Juden haben dort ausgelassen das Fest Lag ba-Omer gefeiert. Stephan Wahl in Israel kritisiert das.

Viele Menschen sammeln sich an der jüdisch-orthodoxen Pilgerstätte / © Ilia Yefimovich (shutterstock)
Viele Menschen sammeln sich an der jüdisch-orthodoxen Pilgerstätte / © Ilia Yefimovich ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Fest, das Lag ba-Omer?

Stephan Wahl (Katholischer Priester in Jerusalem): Das ist ein Fest, das insbesondere die ultraorthodoxen Juden jedes Jahr feiern. Es ist ein Gedenken an den jüdischen Aufstand gegen die römischen Besatzer unter Rebellenführer Bar Kochba, um 132 nach Christus. Da gibt es ein Grab des Rabbis Schimon bar Jochai, der besonders in diesem Zusammenhang verehrt wird und deswegen ist dieser Ort für die Ultraorthodoxen ein richtiger Wallfahrtsort.

DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Ort, an dem die Menschen sich getroffen haben?

Wahl: Das ist ein ganz normaler Berg mit dieser Grabstätte. Man hat vorher gewarnt, dort hinzugehen, aus ganz anderen Gründen, nämlich aufgrund der Pandemie. Man wollte das auf 10.000 begrenzen und das ist schon viel. Und dann sind es 100.000 geworden.

DOMRADIO.DE: Es heißt, das Religionsministerium hätte Druck gemacht zu öffnen, also sozusagen gegen das Gesundheitsministerium?

Wahl: Ja, zwischen den beiden gibt es immer Schwierigkeiten, weil der Einfluss der Ultraorthodoxen gerade in der Politik immer wieder herauskommt. Es gibt Mitteilungen von Polizisten, die dabei waren und gesagt haben, der Ansturm war so groß. Wir konnten noch nicht mal irgendwie in irgendeiner Form darauf achten, dass da die Regeln der Pandemie eingehalten werden. Das war schon vor Wochen hier so, bei einer Beerdigung von Ultraorthodoxen.

DOMRADIO.DE: Im vergangenen Jahr sind diese Feierlichkeiten abgesagt worden. Man hört immer wieder, viele Menschen sind geimpft, die Bars und die Clubs in Israel haben wieder geöffnet. War das vielleicht eine Fehleinschätzung?

Wahl: Nein, der Alltag hat sich hier schon normalisiert. Ich kann wieder draußen in einem Café sitzen. Ich kann sogar ins Café gehen, wenn ich meinen Impfpass vorzeigen kann. Das hat sich schon verbessert. Aber die Leute halten sich zum Beispiel immer noch an die Regeln, die auch das Gesundheitsministerium vorgibt. Das heißt, wenn die Straßenbahn fahre, dann setze ich natürlich die Maske auf und wieder wieder ab, wenn ich draußen an der frischen Luft bin.

Aber es gibt große Teile der Ultraorthodoxen, die sich überhaupt nicht dafür interessieren. Ich habe mit Erschrecken gelesen, dass selbst in dieser Nacht, selbst nachdem das alles passiert war und die Unruhe da war, einige Hardliner sich geweigert haben, den Platz zu verlassen. Die haben gesagt, wir wollen hier beten, egal was passiert, es interessiert uns nicht, was ihr von der Polizei oder was ihr von der Regierung sagt, ich bleibe hier.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Tote bei Massenpanik auf Fest in Nord-Israel / © Magen David Adom (dpa)
Tote bei Massenpanik auf Fest in Nord-Israel / © Magen David Adom ( dpa )
Quelle:
DR