US-Anthropologe sieht Bedarf an Umgangsformen mit Trauer

"Das Leben entmenschlichen"

Die Covid-19-Pandemie hat nach Einschätzung des amerikanischen Anthropologen Robert Harrison einen veränderten Umgang mit Trauer offenbart. Seine Kritik richtet sich gegen Gemeinden, deren Unterstützung er in der Trauer vermisst.

Brennende Kerzen als Zeichen der Trauer / © Gudrun Münz (shutterstock)
Brennende Kerzen als Zeichen der Trauer / © Gudrun Münz ( shutterstock )

Herkömmliche Praktiken seien "dysfunktional geworden, neue haben wir noch nicht", sagte Robert Harrison im Interview der "Welt" (Dienstag).

Rituale der Trauer verliehen dem Sterben Bedeutung, erklärte der Wissenschaftler: etwa Beerdigungen, Zeremonien oder Gesten wie Schwarz zu tragen. Diese kulturellen Praktiken seien einem ständigen Wandel unterworfen.

Tod und Leben

Die Gemeinde komme Trauernden nicht mehr zu Hilfe, kritisierte Harrison. "In unseren hyperindividualistischen Gesellschaften sind wir in unserer Trauer um die Toten schon länger auf uns alleine gestellt."

Dass Sterbende in Corona-Zeiten nicht mehr besucht werden dürften, bezeichnete der Kulturphilosoph als grotesk: "Eine plötzliche, absolute Amputation."

Harrisons Warnung: "Entmenschlichen wir den Tod, entmenschlichen wir das Leben."


"Ich bin die Auferstehung und das Leben" - diese Zusage soll Trauernden Hoffnung machen. / © Beatrice Tomasetti (DR)
"Ich bin die Auferstehung und das Leben" - diese Zusage soll Trauernden Hoffnung machen. / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
KNA