Kirchen klar gegen Streichung von Paragraf 219a

Streit um Werbeverbot für Abtreibung

Paragraf 219a im Strafgesetzbuch verbietet es Ärzten, für Abtreibungen zu werben. Jetzt wollen Grüne, SPD, FDP und Linke "zeitnah" in ein parlamentarisches Verfahren über das Werbeverbot für Abtreibungen einsteigen.

Autor/in:
Birgit Wilke
Gesetzestext des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch / © Harald Oppitz (KNA)
Gesetzestext des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch / © Harald Oppitz ( KNA )

Das erklärte die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws auf Anfrage in Berlin nach einem Treffen von Vertretern der Fraktionen. Diese wollen sich nach Schauws Angaben über einen gemeinsamen Vorschlag verständigen. Noch sei die Meinungsbildung nicht überall abgeschlossen.

Das Amtsgericht Gießen hatte Ende vergangenen Jahres eine Ärztin wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt. Es beruft sich dabei auf den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch. Dieser untersagt "das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen" von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht. Daraufhin hatte Schauws Vertreter von Union, SPD, Linken, Grünen und der FDP eingeladen, um über eine mögliche Streichung oder Reform des Paragrafen zu sprechen. Weitere interfraktionelle Treffen seien in den nächsten Sitzungswochen geplant.

Unionsvertreter hatten an einem ersten Treffen im Dezember teilgenommen. An diesem Mittwoch war kein Vertreter dieser Fraktion dabei. In einem Interview der "tageszeitung" (Mittwoch) sagte die rechtspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), sie sehe aktuell keinen Handlungsbedarf beim Gesetzgeber.

Die bestehenden Normen zum Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch seien eine ausgewogene Regelung, die den Schutz des ungeborenen Kindes in den Mittelpunkt stellt und zugleich die Selbstbestimmung der Mutter wahre, so Winkelmeier-Becker weiter. Der Paragraf sei Teil des Schutzkonzeptes, zu dem das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet habe. Dieser setze auf eine ermutigende Beratung und Hilfe statt Strafe.

Kirchen strikt gegen Streichung von Paragraf 219a

Die Fronten waren bereits vor dem Termin klar: Während sich SPD, Grüne, Linke und FDP für eine komplette Streichung oder zumindest für Änderungen einsetzen, warnen große Teile der Union davor, den mühsam erzielten Kompromiss in der Abtreibungsfrage wieder infrage zu stellen, also auch Paragraf 218. Dieser besagt, dass ein Schwangerschaftsabbruch zwar rechtswidrig ist, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt.

Sie sehe die Gefahr, dass der erzielte Konsens aufgekündigt und das Recht auf Leben partiell in die Beliebigkeit der Frau gestellt werde, sagte etwa CDU-Politikerin Rita Waschbüsch, die auch zu den Gründungsmitgliedern des von katholischen Laien gegründeten Schwangerenberatungsvereins "Donum Vitae" gehört, der Zeitschrift "Publik Forum".

Die Kirchen sehen das ähnlich: Es bestehe die große Sorge, dass mit einer möglichen Aufhebung des Werbeverbots das mühsam ausgehandelte Gesamtkonzept rund um Schwangerenberatung und Abtreibungsverbot infrage gestellt werden könnte, sagte der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Auch mehrere katholische Bischöfe und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprachen sich in den letzten Tagen und Wochen gegen die Abschaffung des Werbeverbots aus.

Die Befürworter einer Streichung oder zumindest einer Änderung halten den Paragrafen 219a für überholt, zumal er ausgerechnet 1933 in Kraft trat. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sprach von einem "Relikt aus der Nazi-Zeit". Dabei reicht die Konzeption des Gesetzes allerdings zurück in die Zeit der Weimarer Republik, wie Jüsten erläuterte.

Bei dem mühsam in den 1990er Jahren ausgehandelten Kompromiss bleibe die grundsätzliche Missbilligung der Abtreibung bestehen, "mit dem die Kirche allerdings nie glücklich war", wie Jüsten betonte. Der Schwangerschaftsabbruch solle eben nicht als eine "normale ärztliche Maßnahme" behandelt werden. Er sieht die Gefahr, dass dies bei einer Änderung passieren könne.

Auch das Argument, durch das Werbeverbot seien die Betroffenen in ihrem Recht auf Information beschnitten, mag Jüsten nicht gelten lassen: Für kaum eine andere Gruppe gebe es ein so umfangreiches Netz an individuellen Beratungs- und damit auch Informationsangeboten. Das beweise schon eine einfache Google-Suche.

Beratung und Information

Jüsten wies zudem darauf hin, dass die Betroffenen sowohl in Beratungsstellen als auch bei Frauenärzten über die Möglichkeiten, Folgen und Risiken des Schwangerschaftsabbruchs und über mögliche Alternativen informiert würden: "Gerade weil die Beratung frei ist von wirtschaftlichen oder anderen Eigeninteressen, soll derjenige, der berät, nicht die Abtreibung durchführen."

Die Sorge, die Aufhebung des Werbeverbots solle nur ein erster Schritt sein zu einer allgemeinen Lockerung, weist die SPD zurück. So sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl wiederholt, es gehe nicht um eine neue Debatte über den Abtreibungsparagrafen 218.

Andere Parlamentarier sehen das offenbar anders: "Sinnvoll wäre es deshalb, die Paragrafen 218 (Abtreibungsverbot) bis 219b im Strafgesetzbuch ersatzlos zu streichen", schrieb etwa die frühere linke Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak auf ihrer Homepage.

Nach dem ersten Treffen im Dezember betonten die Unions-Abgeordneten Elisabeth Winkelmann-Becker und Annette Widmann-Mauz, sie wollten eine generelle neue Diskussion über Abtreibungen vermeiden. Es könne höchstens um eine schärfere Trennung von Information und Werbung gehen. Dafür brauche es aber "keine vorschnelle Gesetzesänderung".


Quelle:
KNA