Thüringen profitiert von Online-Religionsunterricht

"Internet-Unterricht ist kein Allheilmittel"

Während viele Lehrer in Deutschland das Rad neu erfinden mussten, ist Thüringen eine Nasenlänge voraus. Dort findet der Religionsunterricht nämlich schon eine Weile teils online statt. Von diesen Erfahrungen konnten andere Schule profitieren.

In Thüringen teils erprobt: Religionsunterricht zu Hause / © Gorlov-KV (shutterstock)
In Thüringen teils erprobt: Religionsunterricht zu Hause / © Gorlov-KV ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Bei Ihnen läuft der katholische Religionsunterricht trotz Corona-bedingten Schulschließungen weiter – dank "KathReliOnline". Wie froh waren Sie, dass Sie dieses Projekt schon erprobt hatten?

Dr. Martin Fahnroth (Leiter der Schulabteilung des Bistums Erfurt): Ja, ich bin sehr froh, dass wir mit dem Projekt zu diesem Schuljahr begonnen haben. Man muss dazu sagen, es ist ein kleines Projekt. Wir haben an drei Standorten zwölf Schüler. Es war für uns eine Bewährungsprobe und eine Bestätigung.

Wir haben einen deutlichen Vorsprung bei der digitalen Infrastruktur. Die Schüler sind mit Tablets ausgestattet, die natürlich auch internetfähig sind. Wir haben auch die Unterrichtsinhalte und ihre Vermittlung schon erprobt - die liegen auch ausführlich vor.

Und wo ich auch noch den großen Vorteil sehe: Unsere Lehrer konnten jetzt auch in dieser Corona-Zeit ihre digitalen Materialien mit anderen Lehrern, die noch im herkömmlichen Unterricht arbeiten, teilen, sodass wir die Erfahrungen auch in Thüringen weiter streuen konnten.

DOMRADIO.DE: Gehen wir vielleicht noch einen Schritt zurück. Warum haben Sie das überhaupt gemacht? Warum haben Sie in Thüringen "KathReliOnline" gestartet?

Fahnroth: Wir haben hier in Thüringen die Situation, dass wir bis auf das katholische Eichsfeld eine starke Diaspora-Situation (geringe Anzahl von Katholiken; Anm. d. Red.) haben. Das heißt, der Religionsunterricht findet in der Diaspora vielfach am Nachmittag statt. Das fördert natürlich nicht unbedingt immer die Motivation zur Teilnahme.

Wir haben gerade in Süd-Thüringen oft die Situation, dass von den wenigen Schülern immer weniger zum katholischen Religionsunterricht kommen. Das hat uns natürlich vor die Aufgabe gestellt, da etwas Neues zu entwickeln. Aus diesem Anstoß heraus ist dann auch "KathReliOnline" entstanden.

DOMRADIO.DE: So eine Verlegung von Lehrinhalten ins Internet bringt natürlich Vor- und Nachteile mit sich. Wie waren denn bisher die Rückmeldungen von Schülern, Lehrern und Eltern?

Fahnroth: Digitalisierung in der Schule ist natürlich kein Allheilmittel, das muss man ganz deutlich sagen. "KathReliOnline" ist anspruchsvoll für Schüler. Die Schüler müssen regelmäßig Beiträge und Ergebnisse liefern und sich dazu auch noch mit der digitalen Technik auskennen.

Wir hatten von den Schülern positive Rückmeldungen. Sie schrieben, dass der Lehrer weiter als Lernbegleiter notwendig ist. Das war für uns natürlich sehr wichtig. Sie haben die abwechslungsreichen Aufgaben gelobt, sie haben den Umgang mit den Medien und das selbstorganisierte Lernen sehr geschätzt und haben gesagt, das ist gut, dass wir das jetzt in dieser Phase auch lernen.

Sie sehen aber auch noch die Herausforderungen der individuellen Zeiteinteilung; das heißt, sich dann auch hinzusetzen und die Aufgaben zu erledigen. Und die innere Motivation sei noch so eine Schwierigkeit, mit der sie zu kämpfen haben. Aber ich glaube, das ist das, was man jetzt in Corona-Zeiten überall feststellt. Wir erhalten aber auch von den Eltern, die ihre Schüler dort hinschicken, große Unterstützung.

DOMRADIO.DE: Heinz-Peter Meidinger, der Chef des Deutschen Lehrerverbands, hat gerade gesagt, Homeschooling sei definitiv keine Standartmethode, das dürfe man nicht so lange durchziehen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Fahnroth: Natürlich. "KathReliOnline" ist auch kein permanenter Online-Unterricht, sondern wir haben ungefähr zwei Drittel Online-Phasen und ein Drittel Präsenz-Phasen. Das heißt, es findet immer wieder ein realer Austausch mit der Lehrkraft statt. Das ist jetzt in Corona-Zeiten nicht möglich. Aber natürlich ist das auch ein wichtiger Teil des Projekts, und wir bedienen uns praktisch der digitalen Technik, um in der verstreuten Diaspora-Situation, wo hier und da ein Schüler ist, auch den Unterricht aufrechtzuerhalten.

"KathReliOnline" war ja ursprünglich für die Oberstufe angelegt, und ich denke, das ist auch ein Schülerkreis, der da entsprechend vorbereitet ist und wo es altersgemäß passt. Es ist sicher schwierig, in unteren Klassenstufen einfach nur Online-Unterricht zu machen.

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, dass Sie jetzt schon da sind, wo Sie hinwollten mit diesem digitalen Reli-Unterricht? Oder gibt es noch Pläne, wie das weiterentwickelt werden kann?

Fahnroth: Wir hatten "KathReliOnline" als Oberstufen-Projekt geplant, wir mussten dann aufgrund der Vorgaben des Landes erstmal in den Klassen 9 und 10 beginnen. Aber Schüler, Eltern, Lehrkräfte und auch das Bistum haben den deutlichen Wunsch, dass "KathReliOnline" im kommenden Schuljahr auch in den Klassen 11 und 12 fortgesetzt wird. Und dass die Schüler dort, wenn sie möchten, auch eine mündliche Abiturprüfung ablegen können, wie im übrigen Religionsunterricht auch.

Ich bin aber auch noch sehr gespannt auf die wissenschaftliche Begleitung, die von dem Münsteraner Religionspädagogen Professor Sajak erfolgt. Dadurch erwarte ich mir auch noch nochmal Anstöße, auch eine Reflektion von außen. Ich glaube, dass das Projekt auch dadurch nochmal einen neuen Anstoß bekommen kann.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR
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