"Professor Papst" nannte man ihn: weil seine Ansprachen vor der UNO, im Berliner Reichstag oder im britischen Parlament anspruchsvoll wie Vorlesungen waren. Seine Brillanz veranlasste den Kölner Kardinal Josef Frings, den gerade 35-Jährigen zu seinem Berater beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zu machen. Dem Abschnitt als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) folgte seine jahrzehntelange Bestimmung: als Präfekt der römischen Glaubenskongregation. Am Ende zeigte sich Ratzinger amtsmüde, doch Johannes Paul II. überredete ihn zu bleiben. Als der Gigant aus Polen 2005 nach langem Todeskampf starb, wurde Ratzinger zum Papst gewählt. Freimütig berichtete er, wie "das Fallbeil" auf ihn niedergegangen war.
In seinem knapp achtjährigen Pontifikat verfasste Papst Benedikt XVI. drei Enzykliken: Am 25. Februar 2006 veröffentlichte er "Deus caritas est" (Gott ist Liebe). "Spe salvi" - "Auf Hoffnung hin sind wir gerettet" kam 2007 heraus. Zwei Jahre später folgte "Caritas in veritate". Ein großes Thema seiner Amtszeit war die Ökumene. Mit dem Patriarchen von Konstantinopel entwickelte sich eine echte Freundschaft. Den (calvinistischen) Gründer der Gemeinschaft von Taizé, Frère Roger, ließ der Verfasser von "Dominus Iesus" bei der Beisetzung Johannes Pauls II. zur Kommunion zu. 2006 löste ein Detail eines hochintellektuellen Vortrags in Regensburg einen Sturm in der islamischen Welt aus. Benedikts schlagzeilenträchtiger Istanbul-Besuch wurde zur bis dato schwierigsten vatikanischen Krisendiplomatie. Ein weiteres Anliegen war dem deutschen Papst die Versöhnung von Kirche und Judentum. Seine Rede in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem 2009 kollidierte freilich mit seinen Zugeständnissen an die traditionalistischen Piusbrüder. Einer der Pius-Bischöfe hatte den Holocaust geleugnet.
Auch der "Vatileaks"-Skandal um heimlich kopierte vertrauliche Dokumente machte Benedikt XVI. das letzte Amtsjahr schwer. Es folgte jener Akt, der ihm für alle Zeiten einen Platz in den Geschichtsbüchern sichert: der erste freiwillige Amtsverzicht eines Papstes seit 718 Jahren. Benedikt XVI. wurde der Spaziergänger im Vatikan – der nicht ganz so still blieb, wie er es gelobt hatte. Eines seiner "Letzten Gespräche" führte er mit dem Journalisten Peter Seewald, der ein Buch darüber veröffentlichte. (KNA)
16.04.2019
Es ist nicht irgendein Geburtstag: Papst emeritus Benedikt XVI. wird am Dienstag stolze 92 Jahre alt. Susanne Hornberger war als Vatikan-Korrespondentin früher oft mit ihm in Kontakt. Sie erklärt, was den Menschen Joseph Ratzinger auszeichnet.
DOMRADIO.DE: Sie hatten mehrmals die Gelegenheit, Benedikt XVI. zu treffen – sowohl im Papstamt als auch nach seiner Emeritierung. Wie ist er so persönlich?
Susanne Hornberger (Chefredakteurin der Münchner Kirchenzeitung und von 2011 bis 2013 Korrespondentin im ARD-Vatikanstudio): Ich habe ihn am 85. Geburtstag treffen dürfen und nach seiner Emeritierung, als das ARD-Studio "Vatikan" geschlossen wurde. Benedikt nimmt sich immer für jeden seiner Gäste, für jedes Gespräch viel Zeit. Er stellt interessierte Fragen. Er interessiert sich für die Person oder die Institution, die man vertritt – selbst bei Audienzen, wo ja viele Menschen hintereinander auf ihn warten und ihn sprechen wollen.
Er ist unglaublich freundlich, er ist warmherzig, sehr charmant und immer ganz Ohr. Er hört zu und ist sehr aufmerksam. Er ist auch bekannt dafür, dass er sich jedes Detail, jeden Namen, jene Anekdote, die man ihm erzählt, merkt und auch nach Jahren noch weiß.
Was auch viele nicht wissen und ihm oft auch gar nicht zutrauen: Er hat einen wunderbaren und auch ausgesprochen feinen Humor. Man kann mit ihm scherzen und lachen. Als ich beim Abschied von meiner Korrespondenten-Tätigkeit bei ihm war, habe ich ihm erzählt, dass ich eine "Papa Palme" besitze.
Es gab seinerzeit eine Pressefahrt durch den Vatikan, wo man gezeigt bekommen hat, wo der emeritierte Papst leben wird, also am Monastero. In diesem Garten hatten die Gärtner gerade Palmen abgeschnitten. Einige Journalisten haben sich die Palmenstümpfe mitgenommen, unter anderem ich auch. Die habe ich dann im Studio großgezogen und habe sie "Papa Palme" getauft. Als ich ihm dies erzählte, hat er gelacht und sich amüsiert und natürlich hat es ihn auch gefreut.
DOMRADIO.DE: Er lebt in den Vatikanischen Gärten im Kloster Mater Ecclesiae. Sie waren auch schon mal da und haben ihn dort als Emeritus getroffen. Wie läuft so etwas ab?
Hornberger: Das ist eigentlich ganz einfach. Der Anlass war das Ende der Korrespondenten-Tätigkeit, mit der Schließung des Studios. Es ist eigentlich ganz einfach: Man fragt bei Erzbischof Georg Gänswein an, der immer noch sein Privatsekretär ist, ob man sich nach all den Jahren vielleicht vom Papa emeritus verabschieden darf. Der kennt einen ja von vielen privaten Audienzen, Filmvorführungen der tagesaktuellen Berichterstattung und so. Er hat natürlich zugestimmt und dann vereinbart man einen Termin.
An dem besagten Tag meldet man sich bei der Porta Sant'Anna. Das ist einer der Zugänge zum Vatikan. Ein Schweizer-Gardist bringt einen im Auto ganz gemütlich zum Monastero im Vatikan und Erzbischof Gänswein empfängt. Man redet ein bisschen. Und dann führt er einen in den Raum, wo man Benedetto trifft. Das ist im Prinzip ganz einfach.
Ratsam ist, vielleicht Geschenke dabeizuhaben, auch als Dankeschön. Süßigkeiten, das darf man ja verraten. Auch ein Papa emeritus kann da nicht widerstehen. Das Gespräch hat sehr lange gedauert, über eine Stunde. Das war ausführlich und er erkundigte sich dadei nach den Gründen der Schließung, wie es weitergeht mit einem. Er ist sehr interessiert, über alles informiert und hakt nach und dankt einem auch für die objektive Berichterstattung. Das fand ich auch interessant.
DOMRADIO.DE: Aber man ist im Grunde mit dem Papst alleine, da ist nicht noch jemand, der Protokoll führt oder zuhört?
Hornberger: Nein, man ist da tatsächlich alleine. Erzbischof Gänswein geht raus, kommt dann irgendwann wieder. Ich habe noch gebeten, ein Erinnerungsfoto zu schießen, was er auch tat. Nein, da ist man ganz alleine mit ihm.
DOMRADIO.DE: 2005, kurz vor dem Weltjugendtag in Köln, wurde Joseph Ratzinger zum Papst gewählt. Da waren sie noch nicht in Rom, aber Sie haben das trotzdem relativ nah miterlebt. Wie war das für Sie?
Hornberger: Das war toll! Ich war in Regensburg. Ich war bei Domkapellmeister Georg Ratzinger, seinem Bruder. Das ARD-Morgenmagazin, das ja in Köln produziert wird, wollte ein Live-Interview mit ihm zum Beginn des Konklaves haben. Es war ein Montag. Es ist super gelaufen, weil auch Georg Ratzinger sehr eindringlich davor gewarnt hat, seinen Bruder zu wählen, weil er ja alt und krank ist und so weiter und so fort. Und am nächsten Tag, am Dienstag, wurde aus Ratzinger dann Benedikt und aus Georg Ratzinger der Papst-Bruder.
Wir haben es dann geschafft, ihn am Mittwoch nochmal zu interviewen. Das war die erste Reaktion des Papst-Bruders. Der war völlig erschüttert und völlig fertig. Man muss sich ja überlegen, die Brüder wollten eigentlich gemeinsam in Regensburg, beziehungsweise Pentling, alt werden. Da wurden in einem Schlag sämtliche Lebenspläne zunichte gemacht.
DOMRADIO.DE: Unter dieser Voraussetzung ist es natürlich auch verwunderlich, dass er bis heute eigentlich ganz gut durchgehalten hat. Nachdem er ja auch aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war.
Hornberger: Man kann schon sagen, dass er damals, als er zurückgetreten war, körperlich ziemlich am Ende war. Das muss man wirklich sagen. Ich konnte ihn auch im Dezember 2012, also gute zwei Monate vorher, noch einmal treffen. Da sah er schon sehr mitgenommen und schlecht aus. Aber Gott sei Dank, hat er sich berappelt. Die Ratzingers sind zähe Burschen und diese vermehrte Ruhe scheint ihm sehr gut zu tun. Gott sei Dank!
Das Interview führte Tobias Fricke.
"Professor Papst" nannte man ihn: weil seine Ansprachen vor der UNO, im Berliner Reichstag oder im britischen Parlament anspruchsvoll wie Vorlesungen waren. Seine Brillanz veranlasste den Kölner Kardinal Josef Frings, den gerade 35-Jährigen zu seinem Berater beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zu machen. Dem Abschnitt als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) folgte seine jahrzehntelange Bestimmung: als Präfekt der römischen Glaubenskongregation. Am Ende zeigte sich Ratzinger amtsmüde, doch Johannes Paul II. überredete ihn zu bleiben. Als der Gigant aus Polen 2005 nach langem Todeskampf starb, wurde Ratzinger zum Papst gewählt. Freimütig berichtete er, wie "das Fallbeil" auf ihn niedergegangen war.
In seinem knapp achtjährigen Pontifikat verfasste Papst Benedikt XVI. drei Enzykliken: Am 25. Februar 2006 veröffentlichte er "Deus caritas est" (Gott ist Liebe). "Spe salvi" - "Auf Hoffnung hin sind wir gerettet" kam 2007 heraus. Zwei Jahre später folgte "Caritas in veritate". Ein großes Thema seiner Amtszeit war die Ökumene. Mit dem Patriarchen von Konstantinopel entwickelte sich eine echte Freundschaft. Den (calvinistischen) Gründer der Gemeinschaft von Taizé, Frère Roger, ließ der Verfasser von "Dominus Iesus" bei der Beisetzung Johannes Pauls II. zur Kommunion zu. 2006 löste ein Detail eines hochintellektuellen Vortrags in Regensburg einen Sturm in der islamischen Welt aus. Benedikts schlagzeilenträchtiger Istanbul-Besuch wurde zur bis dato schwierigsten vatikanischen Krisendiplomatie. Ein weiteres Anliegen war dem deutschen Papst die Versöhnung von Kirche und Judentum. Seine Rede in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem 2009 kollidierte freilich mit seinen Zugeständnissen an die traditionalistischen Piusbrüder. Einer der Pius-Bischöfe hatte den Holocaust geleugnet.
Auch der "Vatileaks"-Skandal um heimlich kopierte vertrauliche Dokumente machte Benedikt XVI. das letzte Amtsjahr schwer. Es folgte jener Akt, der ihm für alle Zeiten einen Platz in den Geschichtsbüchern sichert: der erste freiwillige Amtsverzicht eines Papstes seit 718 Jahren. Benedikt XVI. wurde der Spaziergänger im Vatikan – der nicht ganz so still blieb, wie er es gelobt hatte. Eines seiner "Letzten Gespräche" führte er mit dem Journalisten Peter Seewald, der ein Buch darüber veröffentlichte. (KNA)