Der Papst entwickelt in Spanien Ideen zur Neuevangelisierung

Gegen die Ausgrenzung der Rede von Gott

Mit überraschend breiter Zustimmung im Gepäck und begleitet von einigen innenpolitischen Kontroversen, die er mit seinen Reden auslöste, hat Papst Benedikt XVI. am Sonntagabend seinen Spanien-Besuch beendet und ist Richtung Rom aufgebrochen. Eine Bilanz der Reise von KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Begeisterung: Papst Benedikt XVI. in Spanien (KNA)
Begeisterung: Papst Benedikt XVI. in Spanien / ( KNA )

Während seines zweitägigen Besuchs hat der 83-Jährige in Galicien und Katalonien inhaltliche Akzente gesetzt, die angesichts des knappen Reiseprogramms so nicht erwartet worden waren. Am weltbekannten Wallfahrtsort Santiago de Compostela beschränkte er sich nicht auf pastorale Ausführungen zum wieder in Mode gekommenen Pilgerwesen. Vielmehr skizzierte er seine Vision von einer Neuevangelisierung Europas - ein Anliegen, das bereits seine Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II. umtrieb, dem er aber jetzt neuen Schub und neue Gestalt zu geben versucht.



Wenige Monate nach dem Start einer eigenen Vatikanbehörde zur Neuevangelisierung stellte er in Santiago die Frage: "Was ist der besondere und grundlegende Beitrag der Kirche für dieses Europa, das in den vergangenen 50 Jahren einen Weg hin zu neuen Gestaltungsformen und Entwürfen zurückgelegt hat?" Die Antwort ist ebenso einfach wie umfassend: Die Kirche müsse Europa Gott verkünden, und Europa müsse sich dieser Botschaft wieder öffnen. Der Alte Kontinent solle endlich die ideologischen Fronten des 19. Jahrhunderts überwinden, in dem Glauben und Freiheit als unüberbrückbarer Gegensatz gesehen wurden.



Keine Rückkehr zur katholischen Staatsreligion

"Es ist eine Tragödie, dass sich in Europa, besonders im 19. Jahrhundert, die Überzeugung durchsetzte und verbreitete, dass Gott der Gegenspieler des Menschen und der Feind seiner Freiheit sei. Damit wollte man den wahren biblischen Glauben an Gott verdunkeln", so die Diagnose des Papstes. Es ist wohl kein Zufall, dass Benedikt XVI. seinen leidenschaftlichen Appell zur Überwindung dieses Grabens gerade in Spanien formulierte. In keinem anderen Land Europas wurde der Ideenkampf zwischen einem radikalem Atheismus und einem repressiven Katholizismus in den beiden abgelaufenen Jahrhunderten so kompromisslos und gewalttätig ausgefochten wie in Spanien.



Was der Papst im frühen 21. Jahrhundert fordert, ist keine Rückkehr zur katholischen Staatsreligion, wie sie der Diktator Francisco Franco durchsetzte. Ausdrücklich lobte der Papst den Weg der Demokratie und der Freiheit, den Spanien in den vergangenen 35 Jahren zurückgelegt habe. Was er will, ist ein offener Dialog, der die Möglichkeit der Wahrheit zulässt und die religiöse Botschaft nicht aus der öffentlichen Debatte von vorneherein ausschließt.





Dass dies auch politische Konsequenzen haben kann, machte er in Barcelona, der zweiten Etappe seiner Reise, deutlich. Klarer als bei früheren Gelegenheiten sagte er, dass die Kirche nicht zur Vernichtung menschlichen Lebens schweigen kann und vom Staat Respekt und Förderung der Familie fordern muss: "Die Kirche widersetzt sich jeglicher Form der Ablehnung des menschlichen Lebens und hält das aufrecht, was die natürliche Ordnung im Bereich der Familie als Institution fördert."



Leisen, aber klare Tönen

In Spanien, wo die Regierung des Sozialisten Jose Luis Rodriguez Zapatero den Laizismus propagiert und Abtreibung fast völlig liberalisiert hat, wurden diese Worte des Papstes sofort verstanden. Der Ministerpräsident betrat dann auch erst ganz zum Schluss des Papstbesuchs die Bühne; er hatte kurzfristig die spanischen Truppen in Afghanistan besucht. Die Opposition weidete sich an der diplomatischen Unebenheit - während sich die Regierung in Madrid offenkundig insgesamt mit der Präsenz des Papstes schwertat.



Mit seinen Reden in Santiago und Barcelona hat Benedikt XVI. eine Serie fortgesetzt, die er 2009 in Paris begann, um sie in Prag und zuletzt in London fortzusetzen: Gerade in jenen Ländern Europas, die als alte oder neue Hochburgen des Säkularismus gelten, wirbt er mit leisen, aber klaren Tönen dafür, das öffentliche Reden von Gott und dessen Konsequenzen für die Gesellschaft nicht auszugrenzen. Es wäre nicht überraschend, wenn er dies demnächst in Berlin fortsetzen würde.