Der Papstbesuch im katalanischen Wahlkampfstrudel

Streit in Kirche und "Nationen"

Bei Reisen in andere Länder richtet sich Papst Benedikt XVI. gewöhnlich in der Landessprache an die Gläubigen. Wenn er sich in einer Region befindet, in der ein Dialekt oder eine Sprachvariante benutzt wird, bemüht sich das Kirchenoberhaupt zudem, wenigstens ein paar Sätze in der Regionalsprache zu sprechen. Dass diese freundliche Geste im Vorfeld seines Besuchs am Sonntag in Barcelona allerdings nicht nur zu einem politischen, sondern auch zu einem innerkirchlichen Streit ausarten könnte, hatte sich Papst Benedikt XVI. wohl nicht erhofft.

Autor/in:
Manuel Meyer
 (DR)

Doch in der nach politischer Unabhängigkeit strebenden Region Katalonien ist Wahlkampfzeit. Ende November wird ein neues Regionalparlament gewählt, und Kataloniens nationalistische Separatisten verkaufen nicht nur den Besuch des Papstes aus Anlass der Weihe der Sagrada Familia, sondern auch seinen Gebrauch des Katalanischen als eine Anerkennung Kataloniens als "Nation" - sehr zum Ärger der gesamtspanischen Parteien und der sozialistischen Regierung. Ein sensibles politisches Thema also. Zusätzlich hält ein Streit um ein vor knapp einem Jahr vom katalanischen Parlament verabschiedetes neues Regionalstatut, das das Madrider Verfassungsgericht als verfassungswidrig ablehnte, die spanische Politik seit Monaten in Atem.



Die amtierende katalanische Regionalregierung unter dem Sozialisten Jose Montilla bezeichnete es unterdessen als völlig absurd, dass der Papst durch den Gebrauch des Katalanischen die politische Unabhängigkeit Kataloniens vom restlichen Spanien unterstützen wolle. Dennoch missbrauchen nationalistische Regionalparteien wie Convergencia i Unio (CiU) und ERC den Besuch Benedikts XVI. für ihre politischen Wahlkampfbotschaften. Mehrere katalonische Politiker wie CiU-Chef Artur Mas oder der ehemalige Präsident Kataloniens Jordi Pujol (ebenfalls CiU) riefen dem Papst sogar vor wenigen Tagen in der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" in Erinnerung, dass er am Sonntag in eine Region reise, die sich als eine eigenständige "Nation" betrachte.



Sehr zum Missfallen des Vorsitzenden der Spanischen Bischofskonferenz, Kardinal Antonio Maria Rouco Varela, griffen in den vergangenen Wochen auch immer häufiger Priester, die mit dem katalanischen Nationalismus oder Separatismus sympathisieren, Argumente der Politik in ihren Predigten auf. Und dabei gingen stattsrechtliche, linguistische und theologische Begriffe munter durcheinander. Seit Jahren fordern Teile der katalanischen Kirche wie im Baskenland eine eigenständige, von Spanien unabhängige katalanische Bischofskonferenz.



Roucos Sprecher Isidro Catela sah sich deshalb zuletzt sogar gezwungen, die Existenz einer katalanischen Kirche zu verneinen und eine angebliche Unterstützung des Papstes für eine solche Abspaltung von der Bischofskonferenz in Abrede zu stellen. Die Reaktion von höchster Stelle ließ nicht lange auf sich warten: Am Freitag stellte Barcelonas Kardinal Lluis Martinez Sistach über die Medien klar, es gebe sehr wohl "eine Kirche in Katalonien".