Zentralrat der Juden kritisiert Auftritt des Papstes in Yad Vashem als "halbherzig" - Bischöfe zufrieden

Erwartete Reaktionen

Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert den Auftritt von Papst Benedikt XVI. in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Die Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, sagte der "Bild"-Zeitung, der Papst habe mit seinem Aufruf zum Kampf gegen Antisemitismus zwar ein positives Signal in Richtung Judentum ausgesandt. Diese Geste erscheine jedoch halbherzig. Auch Israels Presse reagiert verhalten. Die deutschen Bischöfe dagegen äußerten sich zufrieden.

 (DR)

Angesichts der noch ausstehenden klaren Distanzierung des Vatikans von der Piusbruderschaft, die Juden als Gottesmörder bezeichne, hätte sie sich «in Yad Vashem deutliche Worte vom Papst im Fall Williamson erwartet», sagte Knobloch. Richard Williamson ist Bischof in der vom Papst nicht anerkannten Piusbruderschaft und hatte den Holocaust in Frage gestellt.

Der Generalsekretär des Zentralrates, Stephan Kramer, kritisierte, dass Benedikt nicht schärfer gegen Williamson vorgehe. «Was soll man von einem öffentlichen Aufruf zum Kampf gegen Antisemitismus halten, wenn er selbst nicht handelt und keine Konsequenzen zieht?», sagte Kramer den Dortmunder «Ruhr Nachrichten» (Dienstagausgabe) laut Vorabbericht.

Bischöfe zufrieden
Dagegen zeigte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sehr zufrieden mit den Worten des Kirchenoberhaupts. «Die Kirche in Deutschland ist dem Papst für seine klaren Worte - auch gegen jede Form des Antisemitismus - sehr dankbar», sagte er der «Bild»-Zeitung (Dienstag).

Zollitsch betonte, der Papst habe deutlich gemacht, dass jede Generation die Verpflichtung habe, «an das Geschehene zu erinnern und alles dafür zu tun, dass sich der Holocaust nie wiederhole». Münchens Erzbischof Reinhard Marx sagte «Bild», Benedikts Besuch in Israel unterstreiche, «wie wichtig für die Kirche ein besonderes Verhältnis zum jüdischen Volk ist. Die Juden sind unsere älteren Brüder, zu denen wir eine unvergleichbare Beziehung haben.»

Der Aachener katholische Bischof Heinrich Mussinghoff hat die Papstrede in Jad Vaschem als eindrucksvolles Zeugnis für Versöhnungswillen gewürdigt. Der Vorsitzende der Unterkommission der Deutschen Bischofskonferenz für die Beziehungen zum Judentum erklärte am Dienstag in Bonn, Benedikt XVI. habe mit seinem Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte "sein unermüdliches Bemühen sichtbar fortgesetzt, die Erinnerung an den Holocaust als Verpflichtung für alle Generationen zur Geltung zu bringen". Bereits bei seiner Ankunft in Tel Aviv habe der Papst jeder Form von Antisemitismus eine klare und eindeutige Absage erteilt. "Antisemitismus hat in der katholischen Kirche ebenso wenig Platz wie die Leugnung des Holocaust", unterstrich Mussinghoff.

Israels Presse enttäuscht
Die israelische Presse spiegelt am Dienstag überwiegend Enttäuschung über die Rede von Papst Benedikt XVI. in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Die linksliberale Tageszeitung "Ha'aretz" schreibt: "Der Papst erwähnte in Jad Vaschem nicht den Anteil der Nazis am Holocaust". Das Massenblatt "Jedijot Achronot" meint: "Er bat nicht um Verzeihung". Die "Jerusalem Post" berichtet, der Präsident von Jad Vaschem, Rabbiner Israel Meir Lau, sei "enttäuscht über die Papstrede". Und die Boulevardzeitung "Ma'ariv" schreibt fälschlicherweise über die interreligiöse Veranstaltung vom Vorabend: "Der Scheich kritisierte, und der Papst verließ den Saal".

"Ha'aretz" zitiert Rabbi Lau: "In seiner Rede war kein Wort des persönlichen Bedauerns". Auf den hinteren Seiten lautet eine weitere Balkenüberschrift: "Enttäuschung in Israel über die Rede des Papstes in Jad Vaschem". Im Untertitel heißt es: "Der Besuch von Benedikt XVI. war von Misstönen begleitet". In der Holocaust-Gedenkstätte habe der Papst kein persönliches Bedauern geäußert und nicht den Antisemitismus erwähnt. Gleichwohl habe man beim Besuch bei Staatspräsident Schimon Peres gegenseitige Sympatie bemerken können.

Der Historiker Tom Segev beklagt in seinem Gastbeitrag im "Ha'aretz", die Papstrede sei "banal" und inhaltsleer gewesen. Bestenfalls lasse sie den Eindruck von Gleichgültigkeit, nicht von Feindseligkeit zurück.

"Jedijot Achronot" titelt auf den inneren Seiten über eine "verpasste Chance des Papstes". Die ermordeten Juden während der Schoah habe Benedikt XVI. als "Getötete" bezeichnet, den Antisemitismus nicht erwähnt und auch nicht das Schweigen der Kirche bedauert. In einem separaten Artikel wird über die verbale Attacke des muslimischen Geistlichen Taisir Al-Tamimi gegen Israel berichtet. Der Papst habe deshalb den Saal des katholischen Notre-Dame-Centres verlassen. Tatsächlich wurde die Veranstaltung nach dem Vorfall ohne förmliche Verabschiedung beendet, und alle Teilnehmer verließen das Podium gemeinsam.

In den elektronischen Medien des Landes äußerten Holocaust-Überlebende und Experten Enttäuschung und Verwunderung über die Papstrede. Der Knesset-Vorsitzende Rubi Rivlin, der den Empfang am Flughafen boykottiert hatte, kritisierte über die Presse und im israelischen Rundfunk: "Ich bin nicht nach Jad Vaschem gekommen, um mir den gelehrten Vortrag eines Unbeteiligten anzuhören, der mir mitteilt, dass es den Holocaust gegeben habe." Stattdessen sei er "als Jude gekommen, um eine Bitte um Vergebung von jenen zu hören, die unsere Katastrophe herbeigeführt haben, darunter die Deutschen und die Kirche. Aber zu meinem Bedauern hörte ich nichts dergleichen."