Papst Benedikt XVI. in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem - Auszüge der Ansprache

"Damit der Hass nie mehr in den Herzen der Menschen regiert

Papst Benedikt XVI. hat am ersten Tag seiner Israelreise der sechs Millionen jüdischen Opfer der NS-Verfolgung gedacht. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert Auszüge aus der auf Englisch gehaltenen Rede des Papstes in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in einer eigener Übersetzung.

 (DR)

«(...) Ich bin hierher gekommen, um in Stille vor diesem Denkmal innezuhalten, das errichtet wurde, um die Erinnerung an die Millionen Juden zu ehren, die in der schrecklichen Tragödie der Schoah ermordet wurden. Sie verloren ihr Leben, aber sie werden nie ihre Namen verlieren: Diese sind unauslöschlich eingegraben in die Herzen ihrer Lieben, ihrer überlebenden Mitgefangenen und aller, die entschlossen sind, die Menschheit nie wieder durch solche Gräueltaten verunehren zu lassen. Vor allem aber sind ihre Namen für immer verankert im Gedächtnis des Allmächtigen Gottes.

Man kann seinem Nächsten Besitz, Chancen oder Freiheit rauben. Man kann ein heimtückisches Netz von Lügen weben, um andere zu überzeugen, dass bestimmte Gruppen keinen Respekt verdienen. Aber man kann, so sehr man auch will, einem Mitmenschen niemals seinen Namen nehmen.

(...) Die Namen, die in dieser Weihestätte bewahrt werden, werden für immer einen geheiligten Platz bei den zahllosen Nachfahren Abrahams haben. Wie sein Glaube, so wurde auch der ihre geprüft. Wie Jakob wurden auch sie in den Kampf eingetaucht, um die Pläne des Allmächtigen zu erkennen. Mögen die Namen dieser Opfer nie vergehen!
Möge ihre Leiden nie geleugnet, heruntergespielt oder vergessen werden! Und mögen alle Menschen guten Willens darin wachsam bleiben, aus dem menschlichen Herzen alles zu tilgen, was zu Tragödien wie dieser führen könnte!

Die katholische Kirche, den Lehren Jesu verpflichtet und in der Absicht, seine Liebe zu allen Menschen nachzuahmen, empfindet tiefes Mitgefühl für die Opfer, derer hier gedacht wird. Auf dieselbe Weise stellt sie sich an die Seite all derer, die heute einer Verfolgung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Lebensumständen oder Religion ausgesetzt sind. Ihre Leiden sind die Leiden der Kirche, und deren Hoffnung auf Gerechtigkeit ist ihre Hoffnung. Als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus bekräftige ich wie meine Vorgänger die Verpflichtung der Kirche, unermüdlich zu beten und zu wirken, damit der Hass nie mehr in den Herzen der Menschen regiert.
Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist der Gott des Friedens.

(...) Während wir hier in Stille stehen, hallt der Schrei der Opfer weiter in unseren Herzen wider. Es ist ein Schrei, der sich gegen jeden Akt der Ungerechtigkeit und Gewalt erhebt. Es ist eine bleibende Anklage gegen das Vergießen unschuldigen Blutes. Es ist der Schrei Abels, der von der Erde zum Allmächtigen aufsteigt. Indem wir unser festes Vertrauen auf Gott bekennen, geben wir diesem Schrei eine Stimme, mit den Worten aus dem Buch der Klagelieder, die voller Bedeutung für Juden wie für Christen sind:

Die Huld des Herrn ist nicht erschöpft, sein Erbarmen ist nicht zu Ende. Neu ist es an jedem Morgen; groß ist deine Treue. Mein Anteil ist der Herr, sagt meine Seele, darum harre ich auf ihn. Gut ist der Herr zu dem, der auf ihn hofft, zur Seele, die ihn sucht. Gut ist es, schweigend zu harren auf die Hilfe des Herrn. (Klagelieder
3,22-26)

Liebe Freunde, ich danke Gott und euch zutiefst für die Gelegenheit, hier in Stille zu stehen: eine Stille zu gedenken, eine Stille zu beten, eine Stille zu hoffen."