Adveniat: US-Wahl verliert an Bedeutung für Länder Lateinamerikas

Immer mehr auf Augenhöhe

In gut einer Woche wählen die USA ihren Präsidenten. Für Lateinamerika hält Thomas Wieland vom katholischen Hilfswerk Adveniat Amtsinhaber Obama für die bessere Wahl. Doch so wichtig wie noch vor Jahren sei die Entscheidung schon lange nicht mehr, erklärt er im domradio-Interview.

 (DR)

domradio.de: Wie wichtig ist die Präsidentenwahl in den USA für Lateinamerika?

Wieland: Man muss unterscheiden. Die Wahl ist wichtiger und entscheidender für die Länder, die näher an den USA sind; die Länder Mittelamerikas und die des karibischen Raumes. Sie ist weniger relevant für die Länder, die geographisch weiter entfernt liegen; Brasilien und Argentinien beispielsweise. Es ist relevanter für die Länder, aus denen viele Migranten in den USA leben und für die das Thema Migration wichtig ist. Sie ist weniger relevant für die Länder, aus denen weniger Menschen in den USA leben. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Wahl in den USA insgesamt weniger relevant für Lateinamerika ist als in den vergangenen Jahren.



domradio.de: Warum?

Wieland: Es gibt unterschiedliche Themen, die wichtig sind; Themen, in denen Fortschritte erzielt wurden. Bei anderen Themen gab es die nicht. Insgesamt gibt es drei wichtige Gebiete. Das eine ist die Migration. Ist es möglich, dass Lateinamerikaner Zugang zu den USA bekommen - oder nicht? Wird diese Grenzen zwischen Mexiko und den USA durchlässiger oder nicht? Da hat sich in den vergangenen Jahren nichts getan. Inzwischen hat sich die Situation sogar so verfestigt, dass, egal wer Präsident wird in den USA wird, auch da keine weiteren Fortschritte zu erwarten sind. Ein zweites Thema ist die Frage der Intervention aufgrund des Drogenhandels in Lateinamerika. Es wird unterschiedlich gedeutet. Die Lateinamerikaner sagen, das Thema Drogen sei für die USA ein Werkzeug, um militärisch bei ihnen präsent zu sein und die Grenzen dicht zu machen. Auch da hat sich in den vergangenen Jahren wenig verändert. Was sich verändert hat, ist dass die lateinamerikanischen Staaten wirtschaftlich gewachsen sind. Und vor allen Dingen in der Finanz- und Wirtschaftskrise ist deutlich geworden, dass die USA und Europa wesentlich mehr gebeutelt wurden als die lateinamerikanischen Staaten. Das hat dazu geführt, dass die Länder sich untereinander besser koordinieren und dadurch auch selbstbewusster geworden sind. Die Frage nach der Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen den USA und Lateinamerika hat sich zugunsten der Lateinamerikaner verbessert.



domradio.de: Sie haben das Thema Migration angesprochen.12 Millionen soll es davon geben, die meisten aus Lateinamerika. Obama hat eine Aufenthaltserlaubnis für die Kinder von illegalen Einwanderern versprochen. Glauben Sie, dass sich mit ihm in einer zweiten Amtszeit die Situation der Migranten tatsächlich verbessern würde?

Wieland: Es leben inzwischen so viele Lateinamerikaner in den USA, dass da Handlungsbedarf besteht. Zumal für die us-amerikanische Wirtschaft die billigen Latino-Arbeitskräfte ein wichtiger Faktor ist. Es wird wenig Interesse seitens der USA geben, diese Menschen zurückzuschicken in den USA. Trotzdem wird die Grenze zwischen Mexiko und den USA weiter befestigt. Und es ist auch unter Obamas Amtszeit kein Schritt in der Richtung gegangen worden, die Grenze durchlässiger zu machen und stattdessen für ordentliche Verhältnisse zu sorgen. So wie es zwischen Nachbarstaaten üblich sein sollte.



domradio.de: Erzbischof Antonio Arregui Yarza, der Vorsitzende der Ecuadorianischen Bischofskonferenz, fordert, dass die Zusammenarbeit ein "Verhältnis unter Gleichen" sein müsse. Unter welchem Präsidenten wäre das wohl am ehesten möglich?

Wieland: Unter einem Präsidenten Obama wäre das wohl leichter möglich, so wie es sich im Augenblick abzeichnet: Da schafft es Obama, die Fragen der us-amerikanischen Außenpolitik besser ins Gleichgewicht zur tatsächlichen Situation zu bringen. Mitt Romney ist eher dabei, das alte Bild der USA als starke Militärmacht in den Vordergrund zu rücken. Ich denke, dass Präsident Obama besser dazu in der Lage ist, ein dialogisches Verhältnis zu den Staaten Lateinamerikas aufzubauen. So wie es Antonio Arregui auch gesagt hat.



Das Gespräch führte Matthias Friebe.