Die Hintergründe des Rücktritts von Landesbischof Rentzing

"Es gab auch Unwahrheiten"

Was steckt hinter dem Rücktritt von Landesbischof Carsten Rentzing? Geht es um "Jugendsünden" oder eine rechtsnationale Gesinnung? Willi Wild, Chefredakteur der Mitteldeutschen Kirchenzeitung "Glaube + Heimat", über die Hintergründe.

Landesbischof Carsten Rentzing / © Harald Oppitz (KNA)
Landesbischof Carsten Rentzing / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: In ersten Stellungnahmen von EKD-Ratspräsident Bedford-Strohm war erst einmal von Bedauern die Rede. Das hat sich dann über das Wochenende hinweg verschärft. Die Hintergründe waren wohl erst einmal unklar. Dieser Rücktritt ist aber anscheinend dann doch nicht so ganz aus dem Nichts gekommen, oder?

Willi Wild (Chefredakteur der Mitteldeutschen Kirchenzeitung "Glaube + Heimat"): Am Sonntag kam um 15.14 Uhr eine E-Mail mit einer Erklärung des Landeskirchenamtes in Sachsen zum Rücktritt und zu den Erkenntnissen der letzten Tage. Darin wird deutlich, dass die Kirchenleitung bereits am 10. Oktober von diesen Texten erfahren hat. Das heißt, einen Tag vor Renzings Rücktritt.

"Fragmente", diese konservative Kulturzeitschrift, wie sie sich selbst bezeichnet hat, hatte eine Auflage von 100 Exemplaren und ist von 1989 bis 1992 erschienen. Rentzing war als Jura- und Philosophiestudent Mitherausgegeber dieser Zeitschrift - im Übrigen zusammen mit dem heutigen Leiter der Bibliothek des Konservatismus, dem Theologen Wolfgang Fenske. Diese Bibliothek wird heute auch der Neuen Rechten zugeordnet. 

DOMRADIO.DE: Jetzt werden überall diese Texte erwähnt, was steht da denn drin?

Wild: Die Texte werden jetzt von der Kirchenleitung als "elitär, nationalistisch und demokratiefeindlich" eingestuft, interessanterweise erst gestern Nachmittag, obwohl man es schon so früh gewusst hat. Ich nenne mal ein Beispiel. Da heißt es: Der Autor Rentzing hielt es für absurd, der heutigen Gleichsetzung von Demokratie und Freiheit unmittelbar zu folgen. Es sollte keine Denktabus geben in diesem Zusammenhang. Und man sollte die Fehler des demokratischen Systems den nach wahrhaftiger Freiheit strebenden Völkern ersparen.

Man muss aber auch sehen: Rentzing war damals als Student 22 bis 25 Jahre alt, als er diese Zeitschrift herausgegeben hat. Er hat selbst auch gesagt, die Positionen, die er vor 30 Jahren vertreten habe, teile er heute nicht mehr. Aber er hat nicht gesagt, welche Positionen er heute nicht mehr teilt.

DOMRADIO.DE: Das Ganze ist eine verworrene Geschichte. Es geht ja unter anderem auch um die Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung, was ja vorher schon für Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Wild: Dazu hatte er sich geäußert in der aktuellen Ausgabe der sächsischen Kirchenzeitung "Der Sonntag". Er meinte, die Vorwürfe seien allesamt völlig unberechtigt.

Man muss aber vielleicht noch ein Stück weiter zurückgehen. Der Bischofskandidat Renzing galt 2015 als Außenseiter und hatte damals nach dem sechsten Wahlgang - dem längsten in der Geschichte der Landeskirche - eine Stimme Mehrheit vor dem Mitbewerber. Und er hatte damals gesagt, man versuche ihn als konservativ zu beschreiben, er sei es aber nur in theologischen Positionen. Da ging es um die Frage, ob homosexuelle Paare in Pfarrhäusern gemeinschaftlich wohnen dürfen oder um die Segnung homosexueller Paare. Das abzulehnen, sei kein Gegensatz zur Moderne.

Bereits 2015 haben ihm einige linksliberale Pfarrer die Gefolgschaft verweigert. Die Gruppe der Kritiker war seitdem nicht kleiner geworden. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass er hinter seinen eigenen Ansprüchen zurückgeblieben ist. Er wollte einen, wollte die linksliberale Richtung und die pietistisch-evangelikal Konservativen zusammenbringen. Das ist ihm nicht gelungen. Zumal er die große Gruppe in der Mitte einfach ratlos gemacht hat, weil er geschwiegen hat, wo man von einem Bischof eigentlich Klarheit, Orientierung und Wegweisung erwartet hätte: Im Zusammenhang mit Pegida, AfD und dem Wahlausgang in Sachsen.

Wild: Gerade nach der Landtagswahl wurde kritisiert, dass er nicht konkret Stellung gegen die AfD bezogen hat. Kann man das wirklich in diese rechtsnationale Richtung deuten, oder wird das jetzt einfach alles zu sehr unter die Lupe genommen?

Wild: Ich würde ihn nicht als rechtsextrem bezeichnen oder in die rechtsnationale Ecke stellen wollen. Darauf gibt es keine eindeutigen Hinweise und er hat dem selbst widersprochen. Aber er hat diese Salamitaktik angewendet und nur das zugegeben, was man ihm dann auch als Beleg vorgelegt hat. Dann hat er sich in Widersprüche verstrickt und es gab auch Unwahrheiten, die er geäußert hat.

Die gravierenden Fehler waren meines Erachtens, dass er am Tag als die Petition von Pfarrern mit einer Aufforderung zur Stellungnahme und Distanzierung von den neuen Rechten herausgekommen ist, durch seinen Sprecher hat sagen lassen, dass er jetzt erst mal seinen Geburtstag feiern wolle und sich danach dann irgendwann äußert. Und nach der Rücktrittserklärung am Freitag hat er sich in den Urlaub verabschiedet und das angekündigte Gespräch mit den Kritikern ist bei einer Ankündigung geblieben. Er hat das wirkliche Gespräch nicht gesucht.

DOMRADIO.DE: Wie wird es jetzt weitergehen in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens?

Wild: Die Kirchenleitung hat angekündigt, sie wolle am 21. Oktober entscheiden, wie sie weiter verfahren will. Bis dahin wird sich das Prozedere wahrscheinlich auch herauskristallisieren. Im November wird das bundesweite Kirchenparlament, die EKD-Synode, in Dresden tagen, da wird man sich vermutlich auch mit der Causa Rentzing und dem Umgang mit Konservativen und der Neuen Rechten in der Kirche auseinandersetzen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmich.


Chefredakteur Willi Wild (Glaube+Heimat)
Quelle:
DR