Orthodoxe Kirche sucht mit Konzil Anschluss an die Moderne

Lernprozesse auf Kreta

Das Konzil ist beendet - nun beginnt die Analyse seiner Ergebnisse und seines Stellenwerts. Beobachter sprechen von einem "Lernprozess" der Orthodoxie, die sich als Weltkirche im 21. Jahrhundert verstehen lernen muss.

Autor/in:
Norbert Zonker
Bischöfe beim panorthodoxen Konzil / © Sean Hawkey (KNA)
Bischöfe beim panorthodoxen Konzil / © Sean Hawkey ( KNA )

Äußerlich hat sich - abgesehen vom Kirchengebäude - nicht viel geändert zwischen dem Pfingstgottesdienst in Heraklion vor einer Woche und dem Abschlussgottesdienst in der Sankt-Peter-und-Paul-Kathedrale in Chania: Begleitet vom Gesang des Chores zelebrieren die Patriarchen und Erzbischöfe von zehn orthodoxen Kirchen in festlichen Messgewändern die "Göttliche Liturgie", in der Kirche versammelt sind weitere Konzilsteilnehmer und Ehrengäste.

Manchem der 156 Mitglieder der zehn Delegationen ist die Erschöpfung nach einer Woche hartem Arbeitsprogramm mit 15 Sitzungen in der Orthodoxen Akademie von Kolymvari, täglichen gemeinsamen Gottesdiensten und weiteren Programmpunkten anzusehen. Ebenso wie die Erleichterung, dass es keine Zwischenfälle gab, an deren Möglichkeit allzeit präsente Sicherheitskräfte erinnerten, und der Stolz über das wie geplant abgelaufene "Große und Heilige Konzil" der Orthodoxie.

Dokumente, Botschaft und "Enzyklika"

Die sechs vorbereiteten Dokumente zu innerorthodoxen Fragen und der Weltverantwortung heute sowie den Beziehungen zur übrigen christlichen Welt wurden nach intensiven Diskussionen mit kleinen Veränderungen im Konsens verabschiedet, ebenso eine in der Kathedrale verlesene "Botschaft", die das Anliegen des Konzils zusammenfasst, und eine umfangreichere "Enzyklika".

Aber um welche Art Konzil handelte es sich eigentlich? War es das erste Panorthodoxe Konzil seit mehr als 1.000 Jahren oder eine "Räubersynode", wie bissig aus Moskau zu hören war, nachdem die russisch-orthodoxe Kirche und drei andere Kirchen kurzfristig ihre Teilnahme abgesagt hatten? Für die auf Kreta Versammelten keine Frage: Natürlich handele es sich um ein voll gültiges Konzil, wie immer wieder betont wurde, und es sei nun Sache der Ferngebliebenen, seine Ergebnisse ebenfalls zu rezipieren. Was das Jahrtausendereignis betrifft, so sorgte der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. in seiner Eröffnungsansprache für eine Klarstellung, indem er das Konzil in eine Reihe von allorthodoxen Synoden einordnete, beginnend im 14. Jahrhundert und dann in den Jahren 1638, 1672, 1691, 1727, 1838, 1872, 1895 "und so weiter".

Konzil soll regelmäßig stattfinden

Wichtiger war noch, dass das Konzil als feste Institution fortgesetzt werden soll, vielleicht in einem Rhythmus von etwa sieben bis zehn Jahren, wie vorgeschlagen wurde. Damit würde das Konzil als höchste beschlussfassende Instanz der Orthodoxie zur Normalität werden, was zugleich die Aufgeregtheiten, wie sie diesmal den jahrzehntelangen Vorbereitungsprozess erschwerten, verringern dürfte.

Entscheidender als der Inhalt der beschlossenen Dokumente, der zwangsläufig viele Kompromissformeln und Unschärfen enthält, war nach Einschätzung vieler Teilnehmer und Beobachter das Ereignis selbst: Erstmals konnten sich die versammelten Bischöfe als orthodoxe Weltkirche erfahren, erstmals diskutierten sie - über den Kreis ihrer eigenen Kirche hinaus - untereinander über Fragen, die sie alle gemeinsam angehen. Die Notwendigkeit zur Kompromissfindung ist für so manchen Kirchenoberen noch eine große Herausforderung. Die Orthodoxie sei damit im 21. Jahrhundert angekommen, meinte der Pressesprecher des Patriarchats von Konstantinopel, John Chryssavgis. Zugleich betonte er, das Konzil sei ein Lernprozess für alle Beteiligten, sowohl was die Vorgehensweise betreffe als auch die Meinungsbildung zu Fragen der modernen Welt.

Lernfeld Ökumene

Zu den Lernfeldern gehört auch die Ökumene. Obwohl 15 Gäste anderer Kirchen als "Beobachter" eingeladen waren - die freilich nur an der Eröffnungs- und Schluss-Sitzung teilnehmen durften - gab es heftigen Streit in der Debatte um das Ökumene-Dokument, ob die "Heterodoxen" nun Kirchen seien oder Häretiker. Bartholomaios fing dies auf, in dem er in der abschließenden Sitzung die Gäste betont herzlich begrüßte und dabei mehrmals demonstrativ das "K-Wort" benutzte. "Wir alle haben die vitale Bedeutung des Dialogs mit anderen christlichen Kirchen betont."

Einen Unterschied zum Pfingstgottesdienst vor einer Woche gab es dann doch: Bei den Zelebranten fehlte der Vorsteher der Orthodoxen Kirche von Griechenland, Erzbischof Hieronymos von Athen. Grund war dem Vernehmen nach, dass er sich mit seiner Forderung nicht durchsetzen konnte, in die "Botschaft" auch einen Absatz über die mit Rom "unierten" Ostkirchen aufzunehmen. Stoff für weitere Lernprozesse gibt es also genug.

 

Quelle:
KNA