Jahresabschlussgottesdienst – Pontifikalamt im Kölner Dom

"Homo sapiens oder homo editus?"

Klimawandel, Krieg, Terror, Hunger und Armut bedrohen menschliches Leben. Darauf hat Kardinal Rainer Maria Woelki in seiner Silvesterpredigt im Kölner Dom hingewiesen – und einen Hinweis für das kommende Jahr gegeben.

Der Dom und das Domradio im Lichte der Silvesternacht / © Viola Kick (DR)
Der Dom und das Domradio im Lichte der Silvesternacht / © Viola Kick ( DR )

Endlichkeit. Daran erinnere der Silvesterabend. So begann Kardinal Rainer Maria Woelki am Sonntagabend im Kölner Dom seine Predigt zum Jahreswechsel.

"Nicht nur unsere persönliche Lebenszeit hat ein Ende, sondern die Zeit überhaupt. Die Zeit ist wie ein begrenzter Vorrat an Jahren, der uns geschenkt ist."

Spielen wir zu sehr Schöpfer?

Als einen ebensolchen "Dammbruch" stellte Woelki die von Wissenschaftlern entwickelte "Gen-Schere" CRISPR dar, die Reparaturen an DNA-Strängen ermöglicht. Die Forschung spreche von Möglichkeiten, Erbkrankheiten, Aids und Krebs zu bekämpfen sowie davon, widerstandsfähigeres Saatgut zu züchten. Jedoch berge CRISPR auch die Möglichkeit Schöpfer zu spielen.

"Werden wir irgendwann mit Hilfe dieses einfachen Werkzeugs das perfekte Kind definieren, eine neue Spezies – hohe Intelligenz, hohe Lebenserwartung, besonders robust und ausdauernd?", fragte der Kardinal. Wäre es möglich, dass das mütterliche und väterliche Erbgut gezielt komponiert, ergänzt, editiert wird, bis sich eine Klassifizierung ergebe, warnte Woelki. "Homo sapiens hier und Homo editus dort?"

Leben nach dem Baukastenprinzip geht nicht

Der Kardinal gab zu, dass die Gentechnik ihren "vernünftigen Nutzen im Lebensverlauf des Menschen" habe und weiter finde. Als Keimbahneingriff am Embryo aber sei die Gefahr des Verlustes der Achtung vor dem Menschen in seiner ganzen Unvollkommenheit zu groß. "Bei allen gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen, die über den Umgang mit diesem mächtigen Werkzeug in den kommenden Jahren getroffen werden, muss klar sein: Es darf kein Leben nach dem Baukasten-Prinzip geben!"

Woelki stellte klar, dass auch Menschen  mit Krankheiten und Behinderungen "zum und ins Leben" gehörten. Sie alle verdienten die Chance auf dieses eine Leben. "Und das darf nicht das Produkt eines Designers sein, sondern eine unglaublich kostbare und unberechenbar schöne Schöpfung Gottes."

Dankbares Gedenken an Kardinal Joachim Meisner

Woelki erinnerte in diesem Zusammenhang an den im Juli verstorbenen Kölner Alt-Erzbischof Kardinal Joachim Meisner (1933-2017). Dieser habe immer für den Schutz des menschlichen Lebens gekämpft. Mit ihm habe die Kirche einen Hirten und Seelsorger verloren, der für seine Standfestigkeit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gewesen sei.

Ganz besonders habe sich Meisner für die Bewahrung des unverkürzten katholischen Glaubens eingesetzt – "gelegen oder ungelegen", so Woelki. Seinen Vorgänger im Amt, der im Juli dieses Jahres verstorben warm würdigte er noch einmal für dessen Lebenswerk. "Mit Joachim Kardinal Meisner haben wir einen leidenschaftlichen Hirten und Seelsorger verloren, einen Mann des Glaubens und des Gebetes, einen Mann der Kirche, der für seine Standfestigkeit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt war."

Werbung für Abtreibung ist kriminell

Außerdem hat er in seiner Predigt  Abtreibungen in Deutschland und Gentechnik zur Veränderung des menschlichen Erbguts massiv verurteilt. Woelki kritisierte insbesondere die Diskussion um die Abschaffung des Paragrafen 219a zum Verbot der Werbung für Abtreibungen in den vergangenen Wochen. Das Argument "Ärzte zu entkriminalisieren" klinge vielleicht fortschrittlich und menschlich, so Woelki. Eine Abschaffung des Gesetzes käme jedoch einer "Verharmlosung der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen gleich" und bedeute einen "Dammbruch".

Viele wüssten wohl gar nicht mehr, dass Abtreibung weiterhin strafbar sei und nur in Ausnahmefällen nach einer Pflichtberatung straffrei bleibe sagte der Kardinal laut Redemanuskript. "Werbung für Abtreibung, liebe Schwestern und Brüder, ist Werbung für einen Straftatbestand. Und das ist kriminell."

Nichts soll Dich ängstigen

Wie ist nun umzugehen mit den Herausforderungen der Zeit? Darauf wusste der Kardinal einen Ratschlag der heiligen Teresia von Avila zu zitieren: "Nichts soll dich ängstigen – Nada te turbe."

"Mit diesem Wort erinnert sie uns daran, dass wir in dem zu Ende gehenden Jahr, mit all dem, was es für einen jeden von uns gebracht hat, im letzten immer in Gottes Händen waren." Das gelte nun auch für das neue Jahr: "Deshalb: Dank sei Gott für das vergangene und: 'in Gottes Namen' sei das kommende willkommen."

Der Jahresabschlussgottesdienst bei DOMRADIO.DE

DOMRADIO.DE übertrug am letzten Abend des Jahres das Pontifikalamt als Jahresabschlussgottesdienst mit "Te Deum" und feierlichem Segen aus dem Kölner Dom mit Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki.

Es sangen der Mädchenchor am Kölner Dom und der Kölner Domchor unter der Leitung von Oliver Sperling und Eberhard Metternich. An der Orgel: Winfried Bönig


Köln: Jahresabschluss im Hohen Dom / © Boecker
Köln: Jahresabschluss im Hohen Dom / © Boecker
Quelle:
DR , KNA