Manfred Deselaers, geboren am 19. Mai 1955 in Düsseldorf, gehört zu den prägenden deutschen Stimmen im christlich-jüdischen Dialog und der Auseinandersetzung mit der Geschichte von Auschwitz. Der Priester aus der Diözese Aachen setzt sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit der deutsch-polnischen Verständigung auseinander.
Schon früh suchte Deselaers internationale Erfahrungen: Nach dem Abitur in Viersen 1974 und einem kurzen Jurastudium in Bonn verbrachte er rund anderthalb Jahre in Israel im Rahmen der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste.
Dort arbeitete er nach einem Kibbutz-Sprachkurs vor allem im Jerusalemer Kinderkrankenhaus Beit Cholim Alyn, eine Erfahrung, die ihn nachhaltig prägte. Anschließend studierte er Theologie in Tübingen und Chicago. 1983 empfing er die Priesterweihe und wirkte zunächst als Kurat in Mönchengladbach, wo er sich auch in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit engagierte.
Ein entscheidender Wendepunkt folgte 1989: Mit Unterstützung von Bischof Klaus Hemmerle ging Deselaers nach Polen, um aktiv zur deutsch-polnischen Versöhnung beizutragen. Nach einem intensiven Sprachstudium in Lublin zog er 1990 nach Oświęcim (Auschwitz) in die Pfarrei Mariä Himmelfahrt.
In Krakau erwarb er 1991 seinen Magisterabschluss und promovierte 1996 über die Frage von Schuld, Verantwortung und Gottesbild anhand der Biografie von Rudolf Höß, dem Kommandanten des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Sein theologischer Blick auf Täterbiografien sorgte international für Beachtung.
Seit den frühen 1990er-Jahren arbeitet Deselaers eng mit dem Zentrum für Dialog und Gebet in Oświęcim zusammen. Gesandt von der Diözese Aachen und unterstützt von Kardinal Franciszek Macharski, wurde er 2001 Vorstandsmitglied und Leiter der Programmabteilung. Seit der Neugründung des Zentrums 2008 fungiert er als Vizepräsident der Krakauer Stiftung "Centrum Dialogu i Modlitwy".
Neben seiner seelsorgerischen Arbeit ist Deselaers seit 1994 auch offizieller Führer im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. 1998 wurde er zudem Holocaust-Pädagoge an der International School for Holocaust Studies von Yad Vashem in Jerusalem. Er lehrt seit 1997 über "Theologie nach Auschwitz" an der Päpstlichen Theologischen Akademie in Krakau und ist seit 2006 Mitglied des Internationalen Auschwitz-Rates.
Seine Veröffentlichungen beschäftigen sich vor allem mit Fragen von Schuld, Verantwortung, Erinnerung und christlicher Spiritualität im Angesicht des Holocaust. Dazu gehören unter anderem "Der Kreuzweg – Meditation in Auschwitz" (1995), seine international beachtete Dissertation "Und Sie hatten nie Gewissensbisse?" (1997) sowie Sammelbände wie "Dialog an der Schwelle von Auschwitz" (2003) und "God and Auschwitz" (2008).
Für sein Engagement wurde Deselaers vielfach ausgezeichnet. Der Polnische Rat der Christen und Juden ehrte ihn 2000 als "Person der Versöhnung". 2005 erhielt er das Ritterkreuz des Verdienstordens der Republik Polen sowie den Józef-Tischner-Preis. 2008 folgte das Verdienstkreuz erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland.