Katholische Kirche sieht Kampf gegen Terror kritisch

Ein Kompass fürs Navigieren auf Hoher See

Zehn Jahre nach den Terroranschlägen des 11. September haben die katholischen Bischöfe von der Politik die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz des Rechts auch im Kampf gegen den Terror gefordert. Der Terrorismus dürfe nicht dadurch siegen, dass das Vertrauen in die Menschenrechtspolitik oder die Errungenschaften des Rechtsstaats beschädigt würden, warnt die Deutsche Bischofskonferenz am Montag in einem in Berlin veröffentlichten Positionspapier zu "Terrorismus als ethische Herausforderung - Menschenwürde und Menschenrechte".

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Mit dem 67 Seiten umfassenden Bischofswort will die Kirche ihre Friedensethik weiter entwickeln und ihr im Jahr 2000 mit Blick auf das Ende des Kalten Krieges veröffentlichtes Grundsatzschreiben "Gerechter Friede" fortschreiben. Die Bischöfe wollen nicht als Besserwisser erscheinen. Konkrete Entscheidungen im Kampf gegen den Terrorismus seien Sache der Politik. Zum Navigieren auf hoher See brauche sie jedoch einen Kompass, heißt es. "Die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts dürften gezeigt haben, dass es daran mangelt."



Die Angriffe von El Kaida auf New York und Washington sowie der von der US-Regierung ausgerufene "Krieg gegen den Terrorismus" hätten auch in der katholischen Kirche die friedensethische Diskussion neu entfacht, betonen die Bischöfe. Der von einem weltweit vorgehenden Terror-Netzwerk durchgeführte Terrorangriff sowie die Anschläge von Madrid und London konfrontierten die Welt mit einer neuartigen Dimension nichtstaatlicher Gewalt. Die westlichen Staaten werden - von Afghanistan bis Libyen - zunehmend in militärische Einsätze hineingezogen.



Über Jahrhunderte hatten die Kirchen die vom Kirchenvater Augustinus (354-430) begründete und im Mittelalter von Thomas von Aquin (1225-1274) weiter entwickelte Lehre vom "Gerechten Krieg" vertreten. Dabei ging es um die Begrenzung und Bändigung des Krieges: Gewalt musste einen gerechten Grund haben und durfte nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund der Weltkriege und Völkermorde des 20. Jahrhunderts setzten die Kirchen dann aber immer stärker auf eine Vision vom "Gerechten Frieden": Kriege könnten grundsätzlich weder gerecht noch gerechtfertigt sein, heißt es seitdem übereinstimmend in der katholischen und evangelischen Kirche.



Das Konzept vom "Gerechten Frieden" habe auch angesichts des internationalen Terrorismus weiter Bestand und sei keineswegs blauäugig, unterstreicht die Bischofskonferenz jetzt. Zwar schließt die christliche Ethik den Einsatz von Gewalt etwa im Falle eines drohenden Völkermords oder schwerster Menschenrechtsverletzungen nicht aus. Zugleich verpflichtet die Kirche aber die internationale Gemeinschaft, alles zu tun, damit Konflikte vorbeugend verhindert werden - durch Schlichtungsmechanismen, ein internationales Rechtssystem und durch den Dialog der Kulturen.



Ursachenbekämpfung durch ein gerechtes Wirtschaftssystem

Zugleich sprechen die Bischöfe der Ursachenbekämpfung durch ein gerechtes Wirtschaftssystem und den Abbau von Armut und Hunger eine entscheidende Rolle zu. In vielen Ländern lasse sich von einem regelrechten "Syndrom der Unterentwicklung" sprechen, heißt es. "Eine Welt, in der den meisten Menschen vorenthalten wird, was ein menschenwürdiges Leben ausmacht, ist nicht zukunftsfähig. Sie steckt auch dann voller Gewalt, wenn es keinen Krieg gibt."



In dem Papier spart die Kirche nicht mit Kritik an der Politik der westlichen Staaten. Ohne etwa die Gefängnisse von Guantanamo und Abu Ghraib zu nennen, kritisiert das Bischofswort eine erhebliche Einschränkung von Rechten potentieller Terroristen oder von Taliban-Kämpfern sowie die Anwendung unmenschlicher Verhörmethoden. Eindeutig verurteilt das Papier auch die US-Strategie von vorbeugenden Kriegen.



Mit Blick auf die Debatte um Lauschangriffe und den Schutz der Wohnungen auch in Deutschland mahmen die Bischöfe, dass elementare Standards des Rechtsstaats nicht um kurzfristige Erfolge bei der Bekämpfung von Terroristen missachtet oder ausgehöhlt werden dürften.