Im peruanischen Madre de Dios dreht sich alles ums Edelmetall

Wider den Lockruf des Goldes

Einst war das ehemalige Niemandsland an der peruanisch-brasilianischen Grenze der Muttergottes (Madre de Dios) geweiht. Heute, so sagen manche, beteten die meisten hier eher den Teufel an. Einen Teufel in Goldgestalt. Tausende Menschen kommen aus den benachbarten Berggebieten hierher, holzen Bäume ab, wühlen Flussbecken um und hinterlassen eine mit Quecksilber und Schweröl verseuchte Lehmwüste. All das wegen des Goldsandes, den die Flüsse aus den Anden mit sich führen, und dessen Weltmarktpreis mit rund 30 Euro pro Gramm alle Rekorde schlägt.

Autor/in:
Hildegard Willer
 (DR)

Sonntagmorgen in einem der Goldankaufläden hinter dem Hauptmarkt der Kleinstadt Puerto Maldonado. Drei junge Männer, höchstens 25 Jahre alt. Mit ihren MP3-Stöpseln im Ohr und den neuen Turnschuhen wollen sie möglichst "cool" erscheinen. Die drei legen ihre Ausbeute der Woche, in ein Papierchen gehüllt, auf die Feinwaage im Laden: Gold, das sie dem Amazonasboden nahe des Flusses abgerungen haben.



Der Goldkäufer brennt mit einem Lötkolben das Quecksilber von der kleinen Kugel, bis das Gold übrig bleibt. Der gefährliche Quecksilberdampf bleibt in der Luft hängen; niemanden kümmert das.

15 Gramm zeigt die Waage an. Das ergibt umgerechnet rund 465 Euro, 155 Euro für jeden. In einem Land, in dem man sonst einen Monat lang schuften muss, bis man diese Summe beisammen hat, ist das Goldgeschäft ohne Konkurrenz.



Umweltschutz ist in Madre de Dios ein Schimpfwort, und die Umweltschützer, die "ambientalistas", sind bei allen, die vom Gold leben, verpönt. Zu den "ambientalistas" gehört in Madre de Dios auch die katholische Kirche, wie Bischof Francisco Gonzalez vom Apostolischen Vikariat Puerto Maldonado betont. Der gebürtige Spanier warnt vor den Gefahren des Goldabbaus: "Es ist ein Verbrechen an Mensch und Umwelt, an Tier und allen Lebewesen", so der Dominikaner.



Zusammen mit seinen Bischofskollegen aus den anderen Amazonas-Vikariaten ermahnt er die peruanische Regierung immer wieder, die Umweltvorschriften einzuhalten und zu kontrollieren.

Sowohl bei den großen Investitionen ausländischer Firmen wie auch bei den illegalen Goldsuchern. "Es wäre so einfach, dass der Staat die Zufuhr von Benzin und Rohöl kontrolliert", meint Bischof Gonzalez. Denn ohne Dieselgeneratoren und Maschinen könnte der Raubbau am Amazonasgebiet nicht so rasch fortschreiten.



Die Caritas des Vikariates versucht derweil, technische Alternativen zu entwickeln, die den Goldabbau zumindest etwas umweltverträglicher machen. Eines der größten Probleme ist die Verseuchung der Erde und der Flüsse mit Quecksilber: Zwei bis drei Gramm Quecksilber braucht man, um auf herkömmliche Weise ein Gramm Gold zu erzeugen. In der Werkstatt der Caritas bedient der 24-jährige Richard deswegen eine Maschine, die mittels Schwerkraft und ganz ohne Quecksilber das Gold herausfiltern und binden soll. "Noch sind wir im Experimentierstadium und können erst 70 Prozent Gold binden; Quecksilber kommt auf 90 Prozent."



Der ebenfalls 24-jährige Richard Villavicencio war ein paar Jahre lang selbst im Goldgeschäft, hat Maschinen für den Aushub der Flussbecken entwickelt. Warum er denn den lukrativen Job aufgegeben habe und dafür eine Maschine entwickele, von der niemand weiß, ob sie jemals zum Einsatz kommt? Fast verlegen meint Richard: "Bei mir war"s die Religion." Durch die Teilnahme an einer Gebetsgruppe habe er andere Werte entdeckt; "Gold und Geld sind nicht alles".



Richard weiß, wie stark der Sog des Goldes ist und dass die kirchlichen Umweltschützer in Madre de Dios eine kleine Minderheit sind. "Mit der neuen Maschine können wir aber mit den Goldsuchern ins Gespräch kommen und haben ihnen etwas anzubieten", hofft Richard. Die eigentliche Lösung, meint er, sage er lieber nicht laut: Wenn der Goldpreis wieder falle, dann höre der Goldrausch von allein auf.