Die Restaurierung der Geburtskirche wird vorbereitet

Ein neues Dach für den Stall von Bethlehem

Deutlich länger als um diese Jahreszeit üblich sind die Warteschlangen vor der Bethlehemer Geburtskirche. Langsam schieben sich Pilger und Touristen durch einen schmalen Korridor; der Weg zur Geburtsgrotte gleicht einem Hindernislauf. Ein riesiges Gerüst füllt den Kirchenraum. Das Dach, seit Jahrzehnten morsch, soll nun endlich renoviert werden.

Autor/in:
Andrea Krogmann
 (DR)

Punkt für Punkt erfasst der Laserscanner den Raum, 2.000 Punkte pro Sekunde. In knapp 20 Minuten entsteht ein millimetergenaues 3-D-Modell der Grotte unter der Katharinenkirche. Die Kosten für das Messgerät entsprechen "dem Gegenwert eines guten Mercedes", sagt Sorin Busuioc. Seit einer Woche arbeitet der Kanadier zusammen mit einem kanadischen und einem deutschen Kollegen an der Vermessung des komplexen Bauwerks - vor allem früh morgens und spät abends. Denn die Mittagshitze macht das Arbeiten auf dem Dach unerträglich, und die Besucherströme die Innenvermessung tagsüber nahezu unmöglich.



Die dreidimensionale Erfassung ist der erste Teil einer umfassenden Vorstudie. Glaubt man den Verantwortlichen, sogar der umfassendsten Studie zur Geburtskirche in ihrer mehr als 1.500-jährigen Geschichte. Sieben Expertenteams, größtenteils aus Italien, sollen Dach, Wände, Träger und alle dekorativen Elemente untersuchen, bevor der eigentliche Restaurierungsauftrag ausgeschrieben wird.



Das Dach hat seit rund 600 Jahren keine umfassende Renovierung mehr erfahren. Die ganze Struktur, bestätigt Architekt Daniel Blersch, ist "in einem sehr traurigen Zustand". Es hat seit Monaten nicht geregnet; "trotzdem haben wir im Putz so viel Feuchtigkeit, dass wir Probleme hatten, unsere Verbindungspunkte für die Vermessung aufzukleben".



Hand in Hand

Auch wenn in dem ehrgeizigen Projekt viele verschiedene Teams zum Einsatz kommen, arbeiten alle Hand in Hand. Durch die Zusammenarbeit würden die Abläufe optimiert, erklärt Daniel Blersch. Die Vorgänge sind so komplex wie das Gebäude selbst: Aus den dreidimensionalen Vermessungen wird ein zweidimensionaler Plan erstellt, dann schließlich wieder ein vereinfachtes 3-D-Modell.



Warum sich die Experten bei ihren Vorstudien für die Renovierung bis in die Grotten vorarbeiten, ist schnell erklärt: "Wenn man etwas an dem Gebäude tun will, muss wenigstens das Dach dicht sein", so Architekt Blersch. Bei Veränderungen am Dach sei es wichtig, den Ursachen auf den Grund zu gehen und die könnten auch in den Grotten liegen. "Sonst bekämpfen wir nur die Symptome!"



Eine ganze Datenbasis soll auf diese Weise entstehen, die im nächsten Schritt analysiert wird. Erst dann, sind sich die Experten einig, kann eine zweite Ausschreibung für die eigentlichen Restaurierungsarbeiten rausgehen. Das vorab erstellte "Digitalarchiv" birgt laut Busuioc aber auch eigene Möglichkeiten: Es könnte für den Wiederaufbau genutzt werden, "falls mal was passiert". Auch eine virtuelle Rekonstruktion der verschiedenen Baustufen oder eine virtuelle Besichtigung wären möglich.



Ein paar Wochen später ist bereits das vierte Expertenteam zugange. Diesmal untersuchen Italiener die gestalteten Oberflächen und dekorativen Elemente: Holz, Marmor, Mosaike und Fresken. Eine fünfte Gruppe macht derweil archäologische Studien.



10.000 Besucher täglich

"Natürlich hätten wir die Kirche lieber leer", sagt Stefano Defenu von Team vier zu den schwierigen Arbeitsbedingungen. Immer wieder durchbrechen Neugierige die Absperrung, um einen Blick auf die Arbeiten zu erheischen oder ein Foto von einem sonst verdeckten Mosaik zu machen. Der massive Menschenstrom macht den Experten zu schaffen. Die Polizei spricht von 10.000 Besuchern täglich. Dabei hat die eigentliche Pilgersaison gerade mal begonnen.



Trotz aller Schwierigkeiten: Die Experten arbeiten mit Leidenschaft. "Es ist etwas besonderes, gerade diese Kirche zu scannen, die für Millionen Menschen eine Bedeutung hat", sagt Ingenieur Busuioc. Für Daniel Blersch hat sie einfach "Geschichte" und fordere deshalb Respekt. Einen Scan zu machen sei für den Architekten so, als ob man ein Foto von einer Person macht: "Man nimmt etwas mit nach Hause." Nur eines bedauert der Katholik Busuioc: dass er vor lauter Arbeit keine Messe mitfeiern konnte. "Aber das wird Gott schon verstehen. Ich arbeite ja nicht für mich oder meinen Profit."