SPD-Landeschefin im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit zur Rüttgers-Nachfolgerin gewählt

Kraft neue Ministerpräsidentin von NRW

In Nordrhein-Westfalen steht erstmals eine Frau an der Spitze der Landesregierung. Der Düsseldorfer Landtag wählte am Mittwoch die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft zur neuen Ministerpräsidentin. Kraft erhielt im zweiten Wahlgang die ausreichende einfache Mehrheit von 90 Ja-Stimmen bei 80 Nein-Stimmen. Es gab 11 Enthaltungen bei insgesamt abgegebenen 181 gültigen Stimmen aller Abgeordneten. CDU und FDP griffen die rot-grüne Minderheitsregierung scharf an.

Autor/in:
Martin Roy
 (DR)

Im ersten Wahlgang hatte Kraft bei der geheimen Abstimmung ebenfalls 90 Stimmen bekommen - also die volle Stimmenzahl von Rot-Grün. Damit verfehlte Kraft die nur im ersten Wahlgang notwendige absolute Mehrheit von 91 Stimmen nur knapp. Bei der ersten Runde gab es 81 Nein-Stimmen und zehn Enthaltungen.

In ihrer ersten Rede als neue Ministerpräsidentin dankte Kraft der abgewählten schwarz-gelben Vorgängerregierung unter Ex-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) für deren «engagierte Arbeit in den vergangenen fünf Jahren». Sie fügte hinzu: «Bei allen politischen Unterschieden eint uns ein Ziel: ein lebenswertes und starkes NRW.» Bereits am Nachmittag wollte sie nach Angaben von Rot-Grün die Amtsgeschäfte in der Staatskanzlei übernehmen.

«Wir wollen mit allen Fraktionen darum ringen, den besten Weg zu beschreiten», sagte Kraft. Mit der Rüttgers-Abwahl ist es der SPD zum ersten Mal seit 2001 gelungen, einen CDU-Länderchef abzulösen. Damals hatte der Sozialdemokrat Klaus Wowereit in Berlin den Regierenden CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen abgelöst.

Schwarz-Gelb hatte bei der Landtagswahl am 9. Mai die Mehrheit verloren. Nach wochenlangen erfolglosen Sondierungen mit anderen Parteien hatten sich SPD und Grüne Mitte Juni für die Bildung einer Minderheitsregierung entschieden. Mit dem Machtwechsel im bevölkerungsreichsten Bundesland ist auch die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat gebrochen. SPD und Grüne hatten bereits zwischen 1995 und 2005 in NRW regiert.

Am Mittwochnachmittag zog Kraft in die Staatskanzlei ein. In der Regierungszentrale kam sie mit Ex-Regierungschef Rüttgers zusammen. Beide hielten eine Mitarbeiterversammlung ab.

Am Donnerstag (15. Juli, 11.00 Uhr) stellt Kraft in der Düsseldorfer Staatskanzlei ihr rot-grünes Kabinett vor, wie die Staatskanzlei mitteilte. Am Donnerstagnachmittag (14.00 Uhr) sollen die neuen Minister dann im Landtag vereidigt werden. Dem rot-grünen Minderheitskabinett sollen zehn Minister angehören. Die SPD stellt sieben Minister. Die Grünen bekommen drei Ressorts. Offiziell ist bisher nur, dass die bisherige Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann Vize-Ministerpräsidentin und Schulministerin wird.

Nach ddp-Informationen laufen zwischen SPD, Grünen und Linken interne Beratungen über gemeinsame Anträge im Landtag. So versuchen sich die drei Fraktionen auf einen gemeinsamen Zeitplan zur Abschaffung der Studiengebühren zu verständigen. Am Donnerstag und Freitag (15./16. Juli) berät der Landtag erste Gesetzesvorhaben.

Vertreter von Bundes-CDU und -FDP in Berlin warfen mit einer Plakataktion der SPD Wortbruch vor. Die schwarz-gelbe Bundesregierung sei «geeint durch die Sorge, dass dieses waghalsige politische Experiment nicht gut ist», sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe im Beisein seiner Amtskollegen von FDP und CSU, Christian Lindner und Alexander Dobrindt.

CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann sprach von einem «schlechten Tag» für NRW. «SPD und Bündnisgrüne haben mit Hilfe der Linken den Grundstein für die instabilste Landesregierung gelegt, die NRW jemals hatte», sagte Laumann. Kraft sei durch die «Tolerierung» der Linkspartei ins Amt gelangt.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Gerhard Papke äußerte sich ähnlich negativ. «Die Regierung Kraft ist vom ersten Tag an von marxistischen Verfassungsgegnern abhängig. Es ist erschreckend, dass in NRW 20 Jahre nach dem Ende der DDR eine von Kommunisten gestützte Regierung ins Amt gelangt», sagte Papke.