Bischof Bode zieht Bilanz des Priesterjahrs

"Das muss uns aufrütteln"

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode leitet die Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. In einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch in Osnabrück blickt er zurück auf das Priesterjahr.

 (DR)

KNA: Herr Bischof Bode, wie lautet Ihre Bilanz des Priesterjahrs?
Bode: Für die Priester hat es eine neue Selbstvergewisserung in ihrem Dienst gebracht. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Beruf, auch im Wechselspiel mit anderen Diensten in den Gemeinden wie Diakonen und Laien, ist stärker ins Gespräch gekommen, als ich es zunächst erwartet hatte. Auch ist in den Gemeinden die Frage in den Blick gekommen, wie sich Priestermangel und größer werdende Seelsorgeeinheiten auf das Berufsbild auswirken. Diese Auseinandersetzung finde ich sehr positiv.

KNA: Doch dann kamen die Missbrauchsfälle an die Öffentlichkeit...
Bode: Dass uns gerade in diesem Jahr diese Problematik des Missbrauchs und die Entlarvung schwerer Vertrauensbrüche getroffen hat, muss uns aufrütteln. Auf diese Weise werden wir nämlich radikal darauf zurückgeworfen, dass das Priesteramt ein Dienstamt ist, in dem Macht und Hingabe, Autorität und Liebe in ganz engem Maße zusammenspielen, und dass wir uns beständig an der Gestalt Jesu orientieren müssen. Da ist kein Platz für Klerikalismus. Die Ereignisse haben zu einer Erschütterung geführt und verlangen nach Neuorientierung.

KNA: Wie müssen die Zugangsbedingungen für Priester - auch vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals - künftig aussehen?

Bode: In den Rahmenordnungen zur Priesterausbildung sind menschliche Reife, theologische Qualifikation, pastorale Befähigung und spirituelle Tiefe verankert. Vielleicht müssen wir bei diesen vier Ebenen noch stärker auf die menschliche Reife schauen um zu sehen, dass Leib und Seele im guten Sinne einer inneren Gesundheit zusammenspielen. Aber auch wenn man einen Menschen jahrelang kennt und begleitet, kann man manche Dinge nicht ausschließen, die sich mitunter erst später zeigen oder entwickeln. Wir können nicht nur «Übermenschen» einstellen wollen. Aber den Blick auf die spirituelle und menschliche Reife halte ich für sehr wichtig.

KNA: Fällt unter menschliche Reife auch das Stichwort Sexualität?
Bode: Das Thema ist sicherlich in der Vergangenheit zu wenig angesprochen worden. Wir müssen genauer betrachten, wie die Lebensform Zölibat heute lebbar ist, da die jungen Leute später zur Priesterausbildung kommen mit einem Rucksack voll an Erfahrungen. Die Einführung psychologischer Tests, die gelegentlich gefordert wird, würde ich nicht generell befürworten. Ich bin weder für ein Übermaß an Eignungstests, noch dafür, blauäugig zu sagen: Jeder, der fromm ist, kann Priester werden. Die Zulassung eines Kandidaten kennt heute sehr differenzierte Wege.

KNA: Priesterkandidaten erwartet immer mehr Arbeit in riesigen Gemeinden. Durch die Missbrauchsfälle hat der Beruf derzeit kein gutes Image, dafür aber höhere Zugangskriterien. Wie kann man überhaupt noch zum Priesterberuf motivieren?
Bode: Das ist eine große Sorge für mich. Ein Anstieg der Priesterzahlen ist hierzulande nicht in Sicht. Darin wird uns unter anderem deutlich, dass Kirche sehr stark auch von all den anderen Diensten lebt, denen wir mehr Verantwortung übertragen müssen. Wenn dann Menschen wieder «Feuer fangen» in einer glaubwürdigen Kirche, in der sich viele engagieren, wird auch der Priesterberuf wieder eine höhere Attraktivität haben.

KNA: Wie sehen Sie da die Rolle der Diakone, die nach einer Änderung des Kirchenrechts nicht mehr am Dienst «des Lehrens, des Heiligens und des Leitens in der Person Christi» teilnehmen sollen?

Bode: Diakone sind nicht verkleinerte Priester. Und ich kann, wenn ich auf Leitung und Diakonie schaue, nicht sagen: Das eine ist wertvoller als das andere. Insofern dient die Kirchenrechtsänderung mehr einer Klärung der Berufsprofile, die sogar eine Möglichkeit eröffnet: den Diakonat der Frau neu in die theologische Diskussion einzubringen. Denn gerade die Eigenständigkeit des Diakonats gegenüber dem priesterlichen Dienst kann Argumente für die Diakoninnenweihe bieten.

KNA: Eine andere Frage, die nicht zuletzt der Bamberger Erzbischof Schick aufgeworfen hat, ist die nach dem Zölibat. Wie stehen Sie zu diesem Themen?
Bode: Dieser Diskussion können wir nicht ausweichen. Derzeit haben wir aber eine etwas überhitzte Situation. Solche wesentlichen Entscheidungen der Kirche, die auch nicht allein dem Papst unterliegen, kann man nicht unter Druck diskutieren. Dafür wäre meiner Meinung nach sogar ein Konzil erforderlich. Der Zölibat ist für die Kirche so wertvoll, dass eine Veränderung der Rückversicherung durch die Weltkirche bedürfte. Wir sollten sehr behutsam an solche Themen herangehen und nicht in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, als wäre eine Veränderung schon gewollt und unmittelbar absehbar.

KNA: Wenn dazu ein Konzil erforderlich ist, werden viele Christen, die sich aktuell nach einem Neuaufbruch sehnen, das wohl nicht mehr erleben.
Bode: Ein großes Schiff wendet nicht in wenigen Minuten. Ich sehe den Zölibat immer noch als angemessene Lebensform für die Priester an. Und wir müssen sehr genau bedenken, was wir haben, wenn wir ihn verändern oder gar aufgeben. Dass so viele Menschen Sehnsucht nach einem Aufbruch haben, muss uns wach machen. Aber ich bezweifle, dass der nur oder zuerst durch ein Herangehen an den Zölibat möglich ist. Ich möchte aus der Zuspitzung auf diese eine Frage heraus, weil es im Sinne Jesu um mehr geht: nämlich um eine radikale Wende zum Größeren, zu Gott. Wenn wir danach - auch ökumenisch - gemeinsam suchen, haben wir eine Menge Veränderungspotenzial.

Interview: Sabine Kleyboldt