Margot Käßmanns beklatschte Rückkehr auf die öffentliche Bühne

Die Popstar-Theologin

Mit einer orangen Rose in der Hand und strahlendem Lächeln betritt Margot Käßmann unter Blitzlichtgewitter die improvisierte Bühne. Mehr als 200 Zuhörer in einer Münchner Buchhandlung spenden begeistert Applaus. "Ich will meine Bischöfin sehen", sagt eine ältere Dame aus Hannover.

 (DR)

Routiniert hält Käßmann minutenlang ihr neues Buch mit lila Einband in das Blitzlichtgewitter der Journalisten. «Das große Du. Das Vaterunser», heißt der schmale Band über einen der grundlegenden Texte des Christentums.

Mit einem PR-Coup in eigener Sache meldet sich die Ende Februar wegen einer Autofahrt unter Alkohol zurückgetretene Bischöfin in der Öffentlichkeit zurück. Sie nutzt die öffentliche Bühne, die der nur zwei Stunden später beginnende 2. Ökumenische Kirchentag (ÖKT) bereitet hat.

Unbescheiden beschreibt der Geschäftsführer des Lutherischen Verlagshauses und vormalige Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland, Christoph Vetter, dieses Timing als «ein bisschen genial». Eigentlich habe Käßmann, so Vetter, erst am Donnerstag im offiziellen ÖKT-Programm auftreten wollen. Er habe sie aber zum vorausgelagerten PR-Termin für das neue Buch überreden können.

Also platzt nun die dritte Etage der Buchhandlung am Marienplatz aus allen Nähten. Die Luft wird schnell stickig. In der ersten Reihe werden Kamera-Handys gereckt. Rechts und links der kleinen Bühne stehen zwei Sicherheits-Leute. Auf engstem Raum drängen sich fünf Kamerateams. Käßmann als Popstar. Zuhörerin Monika Reinhardt hat mehr als 45 Minuten gewartet: «Für mich ist Käßmann eine große Persönlichkeit. Ich schätze ihre Ehrlichkeit und Konsequenz, auch nach ihrem Rücktritt.»

Käßmanns 84-seitiges Buch, das unter den gekommenen Fans großen Absatz findet, ist als Kommentar zum Vaterunser angelegt. Die Theologin analysiert, dass viele Menschen heute nicht mehr beten wollten oder könnten. Die Folge: Gottverlassenheit. Dem stellt sie ihre eigenen positiven Erfahrungen gegenüber, wonach das Sprechen mit Gott Stärkung und Hilfe im Leben bedeuten könne. Trotz aller Zweifel. Wieder brandet Szenenapplaus auf.

Käßmann beschreibt das Vaterunser als zentrales christliches Gebet. «Es ist ein Text, den auch im Gebet ungeübte Menschen mitsprechen können. So war es beispielsweise bei der Trauerfeier für Hannovers Torwart Robert Enke», erzählt sie. Und: Gott höre «jeden Seufzer».

Schon nach 20 Minuten ist der offizielle Teil mit teils religiös-spirituellen Ausführungen vorbei. Verlagsleiter Vetter wirbt noch rasch für elf weitere Auftritte beim ÖKT in den kommenden Tagen. So wird Käßmann als Talkgast auf dem Roten Sofa des Kirchentags Platz nehmen, eine Bibelstelle interpretieren oder über «Frauen und Macht» referieren. Bevor sie mit dem Signieren von Leserexemplaren beginnt, stimmt sie noch spontan ein Kirchenlied an, das die überwiegend älteren Zuhörer eifrig mitsingen. «Wir werden in den nächsten Tagen beim ÖKT sicher noch Gelegenheit haben, mehr zu singen und zu beten.»