Eines der größten Glockenspiele Europas kommt zu neuem Leben

Beuel übt bald wieder Treu und Redlichkeit

Fast ein Vierteljahrhundert schwieg das Glockenspiel von St. Josef in Bonn-Beuel, eines der größten in Europa, still. Nun soll es, verstaubt und eingerostet, von einer niederländischen Spezialfirma im grenznahen Asten zu neuem Leben erweckt werden. Im Sommer 2007, zum 125-jährigen Pfarrjubiläum, schien das Projekt fast utopisch. Dennoch ergriff der Beueler Schifferverein, der älteste Traditionsverein des Ortes, die Initiative zur Finanzierung.

Bonn-Beuel: Mit einem Kran wurde das Glockenspiel ausgebaut (KNA)
Bonn-Beuel: Mit einem Kran wurde das Glockenspiel ausgebaut / ( KNA )

Nein, ans Treppensteigen wird sich Piet van Lieshout wohl nicht mehr gewöhnen. «Wir versuchen immer, unten nichts Wichtiges zu vergessen, damit wir die Stufen bloß nicht wieder rauf müssen», sagt er, grinst und schultert zwei kleine Stahlträger. Der 52-Jährige ist einer von vier Männern der Koninklijke Eijsbouts, die bis Mittwoch Schwerstarbeit auf dem neugotischen Kirchturm von Sankt Josef in Bonn-Beuel verrichtet haben. In 60 Meter Höhe und bei bis zu 30 Grad Celsius demontierten sie einen Schatz im Dornröschenschlaf:

Der Beueler Schifferverein, der älteste Traditionsverein des Ortes, ruhte nicht eher, bis jetzt durch Tombolas, Spendenaufrufe, den Verkauf von «Glockenbrot» und allerlei Aktionen die Finanzierung nahezu gesichert ist. Mit Grünem Licht und einigem Rückenwind des Erzbistums Köln konnte die Traditionsfirma beauftragt werden und zu Wochenbeginn anrücken. Die meisten der insgesamt 55 Spielglocken wurden ausgebaut und am Mittwoch mit einem Kran über die Balustrade unter der Kirchturmuhr heruntergelassen.

Was da vorher in drei Tagen an Gewichten über schiefe, steile Holzleitern und engste Nischen im Mauerwerk gehievt wurde; was sich mit jedem Hammerschlag an Rost und Taubendreck lösen musste, das hat unten auf der Straße niemand gesehen. «Von der Stirne heiß rinnen muss der Schweiß», heißt es wohl nicht umsonst in Schillers Glocke. Hängen bleiben nur die sieben großen Läuteglocken und die vier größten, bis zu 300 Kilogramm schweren Glocken des «Carillon» genannten Glockenspiels: Sie werden von den Experten mit dem königlichen Ritterschlag vor Ort restauriert - angeleint zwischen Balken, Himmel und Erde.

Wie kommt man auf die Idee, Glockenbauer zu werden? Da ist Piet van Lieshout denkbar unromantisch: «Indem Sie arbeitslos sind und dann dort diese Stellenanzeige sehen», meint er trocken. «Die meisten von uns sind gelernte Elektriker» - und seine Erzählung wird unterbrochen vom ohrenbetäubenden Getöse des Halbstunden-Läutens. Weltweit operieren die 48 Männer und Frauen von Eijsbouts: in Japan, den USA, kürzlich am Carillon des Kölner Rathauses - und jetzt eben in Bonn-Beuel, über dessen Spiel so manche Anekdote überliefert ist. So soll der Initiator des Glockenspiels, Pfarrer Adam Bodewig, 1962 sein «Üb immer Treu und Redlichkeit» speziell für die Adenauer-Regierung quer über den Rhein schallen gelassen haben.

«Heute kann man alle Melodien per Computer einspeisen», erläutert van Lieshout, «und so haben wir das auch neulich in Köln gemacht». Auf jeden Fall sei es aber immer schöner, wenn alternativ ein echter «Carillonneur», ein Musiker aus Fleisch und Blut, am renovierten Spieltisch sitzt und die Tasten händisch - sprich: mit der geballten Faust - traktiert: «Den Unterschied hören Sie auf jeden Fall!»

Das Beueler Instrument ist ein technisches Denkmal, gleichsam ein Unikat: Es ist sowohl manuell auf einer Tastatur, dem sogenannten Stockenklavier, als auch auf einem Keyboard im Turmzimmer spielbar. Dazu kommt als dritte Variante die elektronische Spielbarkeit mit Lochkartenbändern. Aus dem ursprünglichen Bestand sind noch ungefähr 50 Bänder vorhanden und nutzbar - ein besonders wertvoller, weil einmaliger Schatz, wie Fachleute versichern.

Und so soll all das künftig zur neuen alten Beueler Brauchtumspflege gehören: An besonderen Tagen, so wünschen es sich Schifferverein und Kirchengemeinde, soll ab dem kommenden Jahr auch besonderes Repertoire vom Turm zu hören sein: «Freude schöner Götterfunken» etwa zum Beethovenfest oder zu Karneval das Lied von der Wäscherprinzessin oder der Gassenhauer «In Beuel fladdere de Botze».