Präsidiums- und ZdK-Mitglied Philipp Rösler über Parteitag und Wahlprogramm der Liberalen

"Die FDP vertritt nicht den Kapitalismus"

Die FDP beginnt heute in Hannover ihren 60. Bundesparteitag. Steuern senken - schon vor dem Parteitag war klar, mit welcher Hauptbotschaft die Liberalen in den Bundestagswahlkampf ziehen werden. Niedersachsens Wirtschaftsminister und FDP-Präsidiumsmitglied Philipp Rösler im Interview über Wahlprogramm und mögliche Koalitionspartner.

 (DR)

ddp: Herr Minister, auf dem FDP-Parteitag am Wochenende will Ihr Vorsitzender Guido Westerwelle eine Koalitionsaussage zugunsten der Union treffen. Erwarten Sie von ihm auch eine deutliche Positionierung in Bezug auf die anderen Parteien?
Rösler: Zunächst glaube ich nicht, dass er sich schon formal festlegen wird auf eine Koalitionsaussage, dafür ist ja noch ein Parteitag am 20. September kurz vor der Bundestagswahl vorgesehen. Aber ich erwarte, dass er sich klar inhaltlich positionieren wird. Und da sind keine Koalitionen mit den anderen Parteien SPD, Grüne und Linke möglich, wenn man sich deren Wahlprogramme ansieht.

ddp: Will sich die FDP aber nicht doch noch andere Optionen offenhalten, indem die Koalitionsaussage formal erst kurz vor der Bundestagswahl getroffen wird?
Rösler: Nein, die anderen Optionen kann jeder für sich selber ausschließen in der Sekunde, in der wir unser Wahlprogramm beschlossen haben - und das wird dann ja am Sonntag der Fall sein. Aber der Parteitag am 20. September hat nicht nur die Funktion, eine Koalitionsaussage formal zu treffen, sondern auch die eines Wahlaufrufs: Die Themen aus dem Wahlkampf noch einmal aufzugreifen und mit den eigenen Argumenten dafür zu werben, am Wahlsonntag der FDP die Stimme zu geben.

ddp: Sie haben neulich Ihren Parteifreunden angeraten, eine Koalition mit der SPD von vornherein auszuschließen. Ist bei einer solchen Festlegung das Risiko, wieder in der Opposition zu landen, nicht zu groß?
Rösler: Wir sagen den Wählern ganz klar, wo wir hin wollen - in die Regierung. Wir wollen in die Regierung mit der Union. Ich sehe in dieser Botschaft keine Gefahr, im Gegenteil. Die FDP stand immer für Glaubwürdigkeit, bestes Beispiel ist die Landtagswahl in Hessen. Da haben wir klar gesagt, was wir wollen, und wir haben Wort gehalten. Das hat sich im Nachhinein als sehr wohltuend nicht nur für das Wahlergebnis der FDP, sondern für die politische Kultur insgesamt erwiesen.

ddp: Das heißt also, Regierung nicht zu jedem Preis. Kann sich Westerwelle denn noch vier weitere Jahre in der Opposition leisten?
Rösler: Das kann er sich auf jeden Fall leisten. Koalitionen sind nie nur eine Frage der Mathematik, sondern immer der Inhalte. Insofern kann er das ganz gelassen sehen. Zumal ich auch davon ausgehe, dass wir ein Super-Ergebnis bekommen werden, vielleicht sogar das beste in unserer Geschichte.

ddp: Eine Bedingung der FDP für eine Regierungsbeteiligung sind Steuerentlastungen. Wie können Sie dafür glaubwürdig eintreten, wo doch im Haushalt Milliarden Euro dafür fehlen werden?
Rösler: Die Behauptung, man habe dafür kein Geld, stimmt nicht - das zeigen allein die milliardenschweren Konjunkturprogramme der großen Koalition. Außerdem haben wir bei den Haushaltsberatungen immer wieder einzelne Sparvorschläge vorgelegt, ein 200 Seiten dickes sogenanntes liberales Sparbuch, wo jeweils die Gegenfinanzierung klipp und klar belegt ist. Das Grundprinzip ist für uns, die Subventionen für wenige zu streichen, um Steuersenkungen für alle zu ermöglichen. Dieses Prinzip galt vor einem Jahr und das gilt auch jetzt in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten.

ddp: Warum profitiert eigentlich die FDP von der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise und nicht etwa die Linkspartei? Steht nicht gerade die FDP für das freizügige, unkontrollierte Finanz- und Bankensystem, das jetzt aus den Fugen geraten ist?
Rösler: Ich glaube, dass die Menschen gutheißen, dass die FDP für Glaubwürdigkeit steht. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind die anderen Parteien verleitet, ihre ordnungspolitischen Grundsätze über Bord zu werfen. Die FDP bleibt bei ihren marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Und viele erkennen, dass wir nur mit diesen richtigen Grundsätzen aus der Krise herauskommen.

ddp: Aber es war doch bislang gerade die FDP, die immer für wenig Kontrolle und Einmischung im Bankensektor stand.
Rösler: Diesen Vorwurf nach oberflächlichem Hinsehen habe ich in der Öffentlichkeit auch schon einmal gehört. Aber entscheidend ist ja, dass gerade Rot-Grün in ihrer Regierungszeit den ganzen Hedgefonds Tür und Tor geöffnet hat, die SPD-Chef Franz Müntefering mal als "Heuschrecken" bezeichnet hat. Die FDP als Vertreterin der sozialen Marktwirtschaft steht weder für die Banken noch die Großkonzerne, sondern für die kleinen und mittelständischen Unternehmen.

ddp: Die ehemalige Grande Dame der FDP, Hildegard Hamm-Brücher, hat am Wochenende in einem Interview mit der "taz" gesagt: "Ich glaube, dass die Form des Kapitalismus, die Herr Westerwelle vertritt, nicht mehr zu vertreten ist. Dieser Kapitalismus hat abgewirtschaftet, das ganze System ist so diskreditiert, da kann man doch nicht einfach sagen: Weiter so [...]" Was entgegnen Sie Frau Hamm-Brücher?
Rösler: Also erst einmal ist Frau Hamm-Brücher ja nicht mehr Mitglied der FDP. Und zweitens vertritt die FDP nicht den Kapitalismus und hat auch nie den Kapitalismus vertreten, sondern immer die soziale Marktwirtschaft. Und das ist auch die Kernleistung der FPD gewesen in den vergangenen 60 Jahren. Insofern scheint da Frau Hamm-Brücher in diesem Thema nicht so drin zu sein wie vielleicht in anderen Fragen.