Bis zum Inkrafttreten sind aber noch Hürden zu überwinden

Luxemburgs Abgeordnete bekräftigen Sterbehilfe-Votum

Erneut debattierten die luxemburgischen Parlamentarier fast sieben Stunden, dann stand das Ergebnis fest: Die Abgeordneten des Großherzogtums billigten am Donnerstag mit 31 gegen 26 Stimmen bei 3 Enthaltungen ein Gesetz, das aktive Sterbehilfe unter bestimmten Umständen zulässt. Daran änderte auch nichts, dass am gleichen Tag Papst Benedikt XVI. seine große Sorge über das geplante Gesetz zum Ausdruck brachte, wie es vorher Luxemburgs Erzbischof Fernand Franck schon mehrfach getan hatte.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Über die Kritik der Kirche gab es in Luxemburg Streit. Mehrere Abgeordnete nannten es unzulässig, dass die Kirche «Desinformation» betreibe und das Sterbehilfe-Gesetz kritisiere. Auch Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker wies die Erklärung des Papstes zurück. Er akzeptiere nicht, dass der Vatikan sich in die Angelegenheiten des Landes einmische, sagte Juncker. Allerdings verteidigte er das Recht der katholischen Kirche Luxemburgs, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Juncker bekundete, den Tränen nahe, er selbst lehne auch die geplante Straffreiheit für aktive Sterbehilfe ab - er habe Angst vor den Konsequenzen, bekannte er.

Doch blieb das 60 Mitglieder zählende Abgeordnetenhaus letztlich bei seiner Haltung aus der ersten Abstimmung im Februar: Damals billigten die Abgeordneten das Gesetz mit 30 Ja-Stimmen bei 26 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. Die jetzige Abstimmung zählt abermals als erste Lesung, weil das Gesetz mittlerweile in mehreren Passagen geändert wurde. Die Abgeordneten beschlossen allerdings, den Staatsrat, ein beratendes Organ in Luxemburg, darum zu bitten, eine zweite Lesung für unnötig zu erklären.

Rechtlich wird die Situation ohnehin dadurch kompliziert, dass Luxemburgs Großherzog Henri ankündigte, das geplante Sterbehilfegesetz nicht unterzeichnen zu wollen. Henri brach so mit der seit Jahrzehnten praktizierten Neutralität des luxemburgischen Herrscherhauses. Vielleicht inspirierte ihn sein Onkel mütterlicherseits, der belgische König Baudouin I. Der ließ sich 1990 vom Parlament vorübergehend für amtsunfähig erklären, um ein liberales Abtreibungsgesetz nicht zu unterzeichnen.

Ministerpräsident Juncker sah aus der Haltung des Großherzogs dramatische Konsequenzen einer Staatskrise erwachsen.
Parteiübergreifend einigten sich die Politiker des Landes deshalb schnell darauf, dem Monarchen sein Vetorecht zu entziehen. In erster Lesung stimmten sie vor einer Woche einer Verfassungsänderung zu, wonach er künftig Gesetze nur noch «verkünden», aber nicht länger «billigen» muss. Die Verfassungsänderung soll nach einer zweiten Lesung in drei Monaten in Kraft treten, um der Gewissensnot des Großherzogs Rechnung zu tragen. Das wäre vor einer möglichen zweiten Lesung des Sterbehilfegesetzes.

Doch ob dieser Zeitplan funktioniert, ist offen. Eine Initiative will eine Volksabstimmung über die Verfassungsänderung erreichen. Kommen dafür 25.000 Stimmen zusammen, so ersetzt ein Referendum die zweite Abstimmung im Parlament. Aber: Eine Volksabstimmung darf laut luxemburgischem Recht nicht drei Monate vor oder nach Wahlen stattfinden, und in Luxemburg wird am 7. Juni ein neues Parlament gewählt. So könnte es dazu kommen, dass die Abgeordneten bei der zweiten Lesung ein Sterbehilfegesetz verabschieden, das der Großherzog «billigen» müsste, weil die Verfassung noch nicht geändert ist. Unterschreibt Henri dann nicht: Die Staatskrise, die Juncker und die anderen politisch Verantwortlichen vermeiden wollten, wäre da.

In der Bevölkerung scheint indes laut Umfragen die Zustimmung zum Sterbehilfegesetz groß. Rund zwei Drittel befürworteten das Gesetz, berichteten Medien. Eine deutliche Mehrheit lehnte zudem die Weigerung des Großherzogs ab, das Gesetz zu unterzeichnen. Einigkeit gab es immerhin bei der Sterbebegleitung: Einstimmig stimmten die Abgeordneten am Donnerstag dem neuen Gesetz über den Ausbau der Palliativversorgung Todkranker zu. Dieses Gesetz fand auch die ausdrückliche Zustimmung des Papstes.