Amt des Ausländerbeauftragten wird 30 Jahre alt

Zwischen allen Stühlen

"Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und es kamen Menschen." Diese Erkenntnis des Schriftstellers Max Frisch stand Pate, als vor 30 Jahren das Amt des Ausländerbeauftragten der Bundesregierung gegründet wurde.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

«Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und es kamen Menschen.» Diese Erkenntnis des Schriftstellers Max Frisch stand Pate, als vor 30 Jahren das Amt des Ausländerbeauftragten der Bundesregierung gegründet wurde.

Ein eher undankbares Amt, weil es Jahrzehnte dauerte, bis die Deutschen es als notwendig erachteten, die meist als Gastarbeiter ins Land gekommenen Ausländer zu integrieren. Undankbar auch, weil manche der mittlerweile 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund erwarten, dass der Ausländerbeauftragte in erste Linie ihr Sprachrohr ist. «Die Ausländerbeauftragte sitzt zwischen allen Stühlen», so beschrieb 1998 die Bündnisgrüne Marieluise Beck ihre Situation. Eine Arbeit, die nur «im Spagat» zu erledigen sei.

1979 hatte der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD) als erster die Aufgabe übernommen, auf der Ebene des Bundes für eine bessere Integration der wachsenden Zahl von Migranten zu sorgen. Ausländerpolitik sollte nicht länger nur Arbeitsmarktpolitik sein, so der Anspruch.

Organisatorisch waren die Anfänge bescheiden: Kühn musste mit zwei Mitarbeitern auskommen. Schon kurz nach seinem Amtsantritt legte er ein vielbeachtetes Memorandum vor, in dem erstmals von Bundesseite der Stand der Integration und die Notwendigkeit politischen Handelns beschrieben wurden. Entweder die Gesellschaft entscheide sich für die Eingliederung von Menschen ausländischer Herkunft, oder sie habe es mit einem dauerhaften Minderheitenproblem zu tun, hieß es.

Schon 1980 übernahm die FDP-Politikerin Lieselotte Funke das Amt, das sie über zehn Jahre - und damit länger als jeder andere - prägte. Entgegen der damaligen Regierungsmeinung formulierte die streitbare Liberale, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, und forderte ein Konzept, das Zuwanderung zulasse. 1991 trat sie aus Protest gegen die Ausländerpolitik der Regierung Kohl zurück.

Auch ihre Nachfolgerin Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP) machte bittere Erfahrungen. In ihre Amtszeit fielen der heftige Streit um den Asylkompromiss, mehrere fremdenfeindliche Anschläge in Deutschland sowie eine Höchstzahl von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Dafür verbesserten sich auch die Kompetenzen des
Amtes: Die Ausländerbeauftragte erhielt die Zuständigkeit für alle in Deutschland lebenden Ausländer und musste bei der Vorbereitung von Gesetzen beteiligt werden.

Mit dem Wahlsieg der rot-grünen Koalition 1998 übernahm Beck das Amt der Ausländerbeauftragten, und zwar als parlamentarische Staatssekretärin und damit mit Kabinettsrang. Im Koalitionsvertrag stellten SPD und Grüne fest, dass die Zuwanderung unumkehrbar sei und die dauerhaft in Deutschland lebenden Migranten integriert werden müssten. Beck gestaltete bis 2005 viele Gesetzesänderungen mit, unter anderem das Staatsangehörigkeitsrecht und das Zuwanderungsgesetz.

Mit dem Wechsel zur großen Koalition entschied sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine weitere Aufwertung: Unter der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer (CDU) wurde das Amt mit seinen mittlerweile 30 Mitarbeitern bewusst im Kanzleramt angesiedelt; Böhmer hat den Rang einer Staatsministerin und ist Merkel damit direkt zugeordnet.

Auch der ideologische Streit ist mittlerweile verebbt: Dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, wird kaum noch bestritten. Sichtbares Zeichen dafür, dass die Integration mittlerweile als zentrale Aufgabe von Politik und Gesellschaft angesehen werden, ist der Integrationsgipfel, zu dem die Bundesregierung in diesem Jahr bereits zum dritten Mal einlud. Die Umsetzung des Integrationsplans mit mehr als 400 Maßnahmen und Selbstverpflichtungen soll Böhmer steuern.